Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde
zwanzig Minuten. Danach war der Fehler behoben. Dauerhaft.
Ist das nicht zum Heulen? Da bekomme ich eine mangelhafte Ware geliefert – und muss als Geschädigter auch noch für die Mängel büßen! Erst spiele ich den Informatiker, schlage mich mit Downloads herum und vergeude viel Zeit damit, ein Suchprogramm durchlaufen zu lassen. Dann trete ich als Hardware-Monteur an, schraube mehrfach meinen Computer auf und repariere ihn. Und schließlich springe ich als Versandmitarbeiter ein, verpacke und verschicke alte Laufwerke.
Keinen Cent, keinen Dank, gar nichts bekomme ich dafür – nur die Computerfirma spart Geld.
Was wäre eigentlich passiert, wenn ich den Computer bei der Re paratur beschädigt oder mich schwer verletzt hätte, etwa durch einen Stromschlag? Hat die Computerfirma für mich eine Renten-, Kranken- oder Haftpflichtversicherung abgeschlossen? Führt sie Sozialleistungen ab? Hat sie mich für meine Tätigkeit ausgebildet? Kommt sie für mich mit einem Stundenlohn auf?
Tatsache ist: Die Firmen können es mit mir als Kunden bunter treiben als mit jedem Angestellten, weil keine Gewerkschaft für mich kämpft und kein Arbeitnehmer-Gesetz mich schützt. Die Unternehmen haben begriffen: So billig wie der Kunde, für null Euro, so rechtlos wie er, ohne Arbeitsvertrag und ohne Kündigungsschutz, wird ein Angestellter niemals arbeiten.
Mein Computer läuft wieder. Doch der Kundenservice ist abgestürzt.
Mein Leben als Werbesäule
Hilfe, ein Krokodil! Ein Krokodil sitzt auf meiner Brust. Ich kann es nicht abschütteln, es krallt sich fest. Wenn ich atme, bewegt sich das Reptil mit meinem Brustkorb. Mein Glück: Das Krokodil ist nur wenige Zentimeter lang. Mein Pech: Es ist als Markenzeichen der Textilfirma Lacoste auf mein Sweatshirt genäht. Ich kann tun, was ich will – ich werde es nicht los.
Wann immer ich durch die Fußgängerzone flaniere, auf Podien diskutiere oder mit dem Stadtbus zum Flughafen fahre: Solange ich dieses Sweatshirt trage, laufe ich Werbung für diese Textilfirma. Ich trage einen Markennamen in die Welt.
Das Problem: Ich mag zwar diese Textilien – aber ich will kein Werbeträger sein. Gefragt hat mich niemand! Die Firma näht ihr Krokodil einfach auf die Kleidungsstücke. Vielleicht hält sie mich für dämlich genug, dass ich dieses Label als einen Ausweis be trachte, der mich einer exklusiven Kundenfamilie zuordnet – und dass mir dabei entgeht, wie ich als bewegliche Werbesäule missbraucht werde.
Prominente kassieren Millionen, wenn sie für ein Produkt werben. Aber was bekomme ich als Kunde? Einen Tritt in den Hintern, wenn ich an der Kasse stehe: Produkte mit auffälligem Label sind oft teurer als markenlose Ware. Für die Bekanntheit, die Kunden als Werbeträger einem Produkt verschaffen, dürfen sie dann einen höheren Preis bezahlen.
Nicht mit mir, Freunde! Ich habe es satt, als Werbeträger ausgenutzt zu werden. Jetzt drehe ich den Spieß einfach einmal um und schreibe eine gepfefferte Mail an die Firma mit dem Krokodil. Natürlich mit Rechnung.
Sehr geehrte Damen und Herren,
seit 20 Jahren laufe ich Werbung für Ihr Haus. Ich spaziere durch Fußgängerzonen, sitze in Straßencafés, nehme an Konferenzen teil. Dabei trage ich Kleidungsstücke, die – für jedermann sichtbar – mit Ihrem Label ausgestattet sind.
Aus dieser langjährigen Tätigkeit ist ein erheblicher Werbewert für Sie erwachsen. Da ich weiß, dass Prominente Hunderttausende Euro für Werbetätigkeiten bekommen, möchte ich Ihnen zumindest eine kleine Rechnung für meine Dienste stellen:
Tätigkeit als Werbeträger, Jahreslohn 200 x 20 Jahre = 4 000 Euro
Ich denke, diese Summe ist mehr als angemessen. Bitte überweisen Sie den Lohn für meine Tätigkeit innerhalb der nächsten 14 Tage auf folgendes Konto …
Leider verzichtete Lacoste auf eine Antwort. Womöglich hat man meine Mail für einen Scherz gehalten. Dabei war sie ernst gemeint!
Fast jeder Kunde der Republik ist ein Werbeträger – ohne es zu wollen, ohne es zu merken! Nicht nur für Kleidung laufen wir Werbung, nicht nur für Sportschuhe mit einer bestimmten Anzahl von Streifen, nicht nur für Telefone, die beim Verschicken einer Mail gleich noch eine Werbebotschaft für sich selbst anhängen – die Falle lauert schon um die nächste Ecke: an der Kasse des Supermarktes.
Wenn ich eine Tüte brauche, um meine teuren Einkäufe nach Hause zu tragen, bekomme ich diese nicht etwa als Service – was bei dem Umsatz, den ich in die
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