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König Artus

König Artus

Titel: König Artus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
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ein, der ihm den Umgang mit den Waffen und andere Dinge beigebracht hatte.
    »Eine Lüge ist etwas Gutes, etwas Wertvolles«, hatte er gesagt, »eine wunderbare Kostbarkeit, die man in Reserve hält. Benutzt dieses Kleinod niemals, ehe Ihr alle Wahrheiten erschöpft habt. Die Wahrheit ist ein gewöhnliches Ding, allzeit zur Hand, Lügen hingegen muß man selbst erschaffen, und man hat keine Gewißheit, ob sie überhaupt nützlich sind, bevor man sich ihrer bedient hat – und dann ist es zu spät.«
    Mit sanfter Stimme sprach er zu dem Mädchen: »Fräulein, ich könnte dem beipflichten, was Ihr gesagt habt, doch ein Augenblick Friede ist gar nichts wert. Dereinst werdet Ihr vielleicht lernen, große Verzauberungen zu wirken, doch jetzt … nun ja … ein bißchen schwarzes Gezauber ist ein gefährlich Ding.«
    Sie sprang auf. »Ihr lügt!« rief sie. »Ihr habt mein Gesicht gesehen. Ihr seid gefangen.«
    »Nein, Fräulein, ich habe nicht Euer Gesicht gesehen. Ich sah Guinevere, die Königin. Und das ist Narretei, denn es ist unmöglich, daß ich die Königin jemals unehrenhaft lieben, meinem Freund und Lehnsherrn, dem König, Unehre und Schande bereiten und mein Rittertum beflecken könnte.«
    »Ihr habt mein Gesicht gesehen!« rief das Fräulein. »Mein Zauber war der stärkste, den es gibt.«
    »Euer Zauber war schwach und unsicher wie ein neugeborenes Fohlen«, sagte Lancelot. »Es ist wahr, Ihr habt gelernt, Bilder in Eure Augen zu zaubern, aber alberne Bilder, törichte Dinge. Sie werden nur bewirken, daß man Euch auslacht. Ihr habt mich sehen lassen, wie Königin Guinevere wegen Verrats am König auf dem Scheiterhaufen steht, umgeben von aufgeschichteten Reisigbündeln. Was soll solche Verrücktheit? Und als wäre das nicht schon Unsinn genug, sah ich mich selbst in voller Rüstung auf einem Karren fahren, der von Ochsen durch einen Sumpf gezogen wird. Das könnte komisch sein, wenn es nicht beleidigend wäre. Ich finde, es ist besser, Ihr geht nach Hause und lernt, mit Faden an einem zerrissenen Hemd Zauber zu wirken. Vielleicht könnt Ihr eines Tages irgendeinen jungen Ritter von gutem Ruf auf eine Ausfahrt begleiten.«
    Sie war merkwürdig stumm, und nach einer Weile sagte Sir Lancelot zu ihr: »Es tut mir leid, wenn ich Eure Gefühle verletzt habe, mein Fräulein. Und jetzt muß ich fort. Ich habe verabredet, zum Pfingstfest an König Artus’ Hof zu sein, und die Zeit ist nahe. Kann ich noch irgend etwas für Euch tun, ehe ich aufbreche? Irgendeine kleine Gefälligkeit?«
    Sie trat nahe zu ihm hin, sprach im Flüsterton, und das Weiße in ihren Augen glänzte im Sternenlicht, was ihr ein Aussehen gab, als wäre sie blind. »Ja, das könnt Ihr, mein Ritter«, sagte sie. »Nur einen einzigen kleinen Dienst könnt Ihr mir erweisen.«
    »Sprecht. Ich bin dazu bereit.«
    »Hier in der Nähe ist eine Kapelle, Gefährliche Kapelle geheißen, und darin liegt in ein Leichentuch gehüllt ein toter Ritter und neben ihm ein Schwert. Es wird von Riesen und furchterregenden Ungeheuern bewacht. Bringt mir dieses Schwert, wenn Ihr es vermögt.«
    »Wie finde ich die Kapelle in der Finsternis?«
    »Sie ist nicht weit von hier. Folgt dem Pfad, bis Ihr ein Licht seht. Ich werde hier auf Euch warten.«
    Er stolperte in der Dunkelheit davon und gedachte des Fräuleins voller Mitgefühl. Er fand das Licht, eine brennende Kerze in einer Hütte, die klein war, aber über der Tür ein primitives Kreuz hatte. In der Hütte lag eine mit einem weißen Tuch bedeckte Gestalt, und an die weiß gekalkten Wände waren von kindlicher Hand groteske Gesichter gemalt. Neben der verhüllten Gestalt lag ein Schwert aus Holz. Sir Lancelot beugte sich hinab, um es an sich zu nehmen, hob das Tuch ein bißchen und sah, daß der Leichnam eine mit Lumpen ausgestopfte, als Mann angezogene Puppe war. Und sein Herz war schwer, als er zu dem Fräulein zurückging.
    Sie war auf eine Lichtung getreten, und ihr Gesicht zeigte im Schein der Sterne einen wilden und kindlichen Ausdruck. »Habt Ihr das Schwert mitgebracht?« rief sie.
    »Ja, mein Fräulein.«
    »Gebt es mir.«
    »Es schickt sich nicht, daß ein Fräulein ein Schwert trägt.«
    »Ha, Ihr seid mir entkommen! Hättet Ihr mir das Schwert gegeben, hättet Ihr Königin Guinevere nie mehr gesehen.«
    Lancelot ließ den Stecken mit der darauf gebundenen »Parierstange« auf die Erde fallen.
    »Gebt mir ein Zeichen zur Erinnerung, Herr Ritter«, sagte sie.
    »Was für ein Zeichen möchtet

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