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König Artus

König Artus

Titel: König Artus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
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sein. Er wird zum Gefäß aller Wunschträume der Welt. Dieser Platz ist in der Regel Verstorbenen vorbehalten, von denen weder Vergeltung noch Lohn zu erwarten ist, doch zu dieser Zeit hatte ihn Sir Lancelot unangefochten inne. Und undeutlich vernahm er, wie seine Kraft – zu seinem Vorteil – mit der von Elefanten verglichen wurde, seine Wildheit mit der von Löwen, seine Schlauheit mit der von Füchsen, seine Beweglichkeit mit der Flinkheit des Wildes, seine Schönheit mit der der Sterne, sein gerechtes Denken mit der Gerechtigkeit Solons, seine strenge Redlichkeit mit der des hl. Michael, seine Demut mit der neugeborener Lämmer; seine Sonderstellung als Krieger hätte den Erzengel Gabriel veranlassen können, das Haupt lauschend zu heben. Manchmal hörten die Gäste zu kauen auf, um besser zu hören, und ein Mann, der geräuschvoll seinen Honigwein verschüttete, zog mißbilligende Blicke auf sich.
    Artus auf seiner Estrade saß ganz still da und spielte nicht mit seinem Brot herum, und neben ihm saß die liebliche Guinevere regungslos, wie eine bemalte Statue ihrer selbst. Nur ihre Augen, die nach innen zu blicken schienen, gestanden ihre schweifenden Gedanken ein. Und Lancelot betrachtete seine Hände wie die aufgeschlagenen Seiten eines Buches – keine großen Hände, sondern zart an den Stellen, wo keine Schwielen und Narben von alten Wunden waren. Sie waren zartgliedrig, weich und ganz weiß die Haut, geschützt vom geschmeidigen Lederfutter seiner Panzerhandschuhe.
    In der großen Halle war es jedoch nicht überall ruhig, nicht alle lauschten regungslos. Überall war Bewegung: Leute kamen und gingen, manche trugen lange Bretter mit Bratenstücken und Körbe voll runder Brote, flach wie Teller, herbei. Andere waren rastlos, konnten nicht stillsitzen, während jedermann, beschwert von halb gekautem Fleisch und den Bächen und Fluten von Honigwein und Bier, wiederholt genötigt war, den Raum zu verlassen.
    Lancelot beendete das Studium seiner Hände, schaute blinzelnd durch die lange Halle und beobachtete das Treiben mit fast geschlossenen Lidern, so daß er keine Gesichter erkennen konnte. Aber er erkannte alle an Haltung und Gang. Die Ritter in ihren langen, üppigen Gewändern, die den Boden streiften, gingen leichtfüßig dahin oder hatten das Gefühl, mit den Füßen kaum den Boden zu berühren, weil ihre Körper von den beschwerlichen eisernen Gehäusen befreit waren. Ihre Füße waren lang und schmal, da sie sie, als Reiter, nie breit und flach getreten hatten. Die Damen in ihren reichen Röcken bewegten sich leicht und fließend wie Wasser, doch dies war angelernt und Absicht, war ihnen als kleinen Mädchen mit Hilfe von Peitschenschlägen auf die bloßen Fußknöchel beigebracht worden. Ihre Schultern wurden von nägelbesetzten Miedern nach hinten gedrückt, die Köpfe von Kragen aus Weidengeflecht oder, für die Vergeßlichen, durch Stützen aus bemaltem Draht hochgehalten; denn die stolze Kopfhaltung auf einem Schwanenhals zu erlernen, sich die fließenden Bewegungen von Wasser anzueignen, ist nicht einfach für ein Mädchen auf dem Weg zur Edelfrau. Und die Ritter wie die Damen stimmten gleichermaßen ihre Bewegungen darauf ab, wie sie gekleidet waren; der Fall eines langen Kleides bestimmte die Art und den Rhythmus, in dem man sich bewegte. Es lohnte nicht, sich einen Leibeigenen oder einen Sklaven näher anzusehen – die Schultern breit und vom Lastenschleppen herabgedrückt, die Beine kurz, dick und krumm, die Füße breit und platt, der ganze Körperbau langsam dem Druck erliegend. In der großen Halle schleppten sich die Leute, die aufwarteten, mit der Schwerfälligkeit von Ochsen dahin, und wenn sie ihre Bürden los waren, wieselten sie verkrümmt und unruhig davon.
    Eine Pause in den Lobgesängen auf seine Tugenden und Meriten ließ Lancelot aufmerksam werden. Ein Ritter hatte seine Erzählungen beendet, und nun erhob sich zwischen den Bänken Sir Kay. Lancelot hörte Kays Stimme schon, ehe dieser zu sprechen begann und Taten aufzählte wie Blätter und Säcke und Fässer. Bevor sein Freund die Mitte der Halle erreicht hatte, rappelte Sir Lancelot sich hoch und trat an die Estrade. »Mein Herr König«, sagte er, »vergebt, wenn ich um die Erlaubnis bitte, mich entfernen zu dürfen. Eine alte Wunde ist aufgebrochen.«
    Artus lächelte zu ihm hinab. »Ich habe die gleiche alte Wunde«, sagte er. »Wir wollen zusammen gehen. Vielleicht kommt Ihr ins Turmzimmer, sobald wir unsere Wunden

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