König Artus
Ihr?«
»Einen Kuß – ich werde ihn immer in ehrendem Andenken halten.« Sie näherte sich ihm wie eine Schlafwandlerin, das Gesicht nach oben gewandt, den Mund geöffnet, und er hörte, wie ihr das Herz pochte.
Dann veranlaßte ihn irgendeine Regung, irgendein Instinkt tief in seinem Kämpferherzen, sie am Handgelenk zu packen und ihr das lange, schmale Messer aus den Fingern zu schütteln.
Sie barg das Gesicht in den Händen und begann zu weinen.
»Warum wolltet Ihr mich töten? Ich hatte Euch nichts zuleide getan.«
»Ich bin verloren«, sagte sie. »Ihr wäret mein gewesen und keine andere hätte Euch bekommen.
Und jetzt, Sir Lancelot, will ich Euch sagen, ich liebe Euch seit sieben Jahren, doch keine andere soll Eure Liebe haben als Königin Gwenyver, und da ich mich Eures lebendigen Leibes nicht erfreuen durfte, wäre mir in dieser Welt nichts eine größere Freude gewesen, als Euren toten Leib zu haben. Dann hätte ich ihn einbalsamiert und ihn gehegt, um ihn zeit meines Lebens zu besitzen, und jeden Tag hätte ich Euch mit den Armen umschlungen und Euch Königin Gwenyver zum Trotz nach Herzenslust geküßt. «
Pfingsten hielt König Artus in Winchester hof, jener altehrwürdigen königlichen Stadt, in der Gunst des Herrn wie Seiner Geistlichkeit und auch Sitz und Begräbnisstätte vieler Könige. Auf den Landstraßen drängten sich freudig gestimmte Menschen, Ritter, die zurückkehrten, um am Hof ihre Taten zu vermelden, Bischöfe, Geistliche, Mönche, an ihr Ehrenwort gefesselte Besiegte, die Gefangenen der Ehre. Und auf dem Itchen, dem Zugang vom Solent und vom Meer her brachten die kleinen Schiffe saftiges Getier, Neunaugen, Aale und Austern, Schollen und Lachsforellen. Lastkähne, beladen mit Tran- und Weinfässern, wurden von der Flut hereingetragen. Brüllende Ochsen wanderten auf ihren eigenen vier Hufen den Bratspießen entgegen, während Gänse und Schwäne, Schafe und Schweine in Verschlägen aus Weidengeflecht ihr Schicksal erwarteten. Jeder Hausbesitzer, der einen Streifen buntes Tuch, ein Band, irgendeinen lustigen Fetzen besaß, hängte diese Dinge als ein Fähnchen hinaus, das flatternd seinen kleinen Beitrag zum Fest leistete, und wem derlei fehlte, der befestigte Fichten- oder Lorbeerzweige über der Tür.
In der großen Halle der Burg auf dem Hügel saß der König auf seinem erhöhten Platz, und als nächste unter ihm die auserlesene Schar der Tafelrunde, edel und würdevoll anzusehen, als wären die Ritter gleichfalls Könige. An den langen Holztischen saßen dicht an dicht die Menschen, wie Zehen in einem engen Schuh.
Dann, während von den glänzenden Fleischstücken das Fett herablief und von den Tischen tropfte, rühmten nach alter Sitte die besiegten Ritter die Taten ihrer Überwinder, während diese sich selbst schmälernd den Kopf senkten und die Komplimente für ihre Größe mit kleinen, bescheidenen Handbewegungen abwehrten. Und da bei einer öffentlichen Beichte Sünden über Gebühr vergrößert, kleine Verfehlungen größer oder überhaupt erst geboren werden, konnte es geschehen, daß jene Ritter, die erst unlängst um Gnade gebeten hatten, die Taten der Tapferen und Großmütigen über alle vernünftige Dankbarkeit für die Schonung ihres Lebens hinaus erhöhten. Auch erhofften sie dadurch selbst ein Weniges an Ansehen zu gewinnen.
Mit rühmenden Worten sprachen viele von Lancelot, der mit gesenktem Kopf auf seinem mit goldenen Lettern beschrifteten Stuhl an der Runden Tafel saß. Manche erzählten, er habe genickt und sei vielleicht eingeschlummert, denn die Schilderung seiner Ruhmestaten war lang, und die monotone Aufzählung seiner Siege nahm viele Stunden in Anspruch. Lancelots makelloser Ruhm war so groß geworden, daß Männer es sich zur Ehre anrechneten, von ihm aus dem Sattel geworfen zu werden. Und da er so oft gesiegt hatte, ist es möglich, daß Ritter, die er nie zu Gesicht bekommen hatte, behaupteten, sie seien von ihm überwunden worden. Es bot ihnen die Chance, einen Augenblick lang die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Und während Lancelot vor sich hin döste und am liebsten woanders gewesen wäre, hörte er Lobpreisungen, in denen er sich nicht wiedererkannte, und so manche Heldentat, die vor Zeiten anderen Männern zugeschrieben worden war, holte man hervor, polierte sie auf und legte sie auf den Stapel seiner Glanzleistungen. Es gibt einen Ehrenplatz des Ansehens, der dem Neid unerreichbar ist und dessen Inhaber aufhört, ein Mensch zu
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