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König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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urteilst über jemanden, dessen Beweggründe du nicht verstehst und von dem du viel zu wenig weißt. Genau darum sehen deine Augen die Wirklichkeit nicht. Du hältst dich noch immer für einen Engel an der Seite des Herrn, doch du bist einer der Gefallenen. Wart ihr es nicht, die sich gegen den Herrn gestellt haben und seitdem auf der Erde leben müssen? Du sagst, die Menschen würden unablässig sündigen – aber seid ihr es nicht, die den Menschen zu verführen und so von Gottes Weg abzubringen trachten? Stellt ihr euch dadurch nicht gegen all das, wofür Gott eigentlich steht? Ich frage mich, wer in dieser Geschichte der störrische Sohn ist. Den Menschen kann ich zumindest zugutehalten, dass sie sich oft redlich bemühen, auf Gottes Weg zu wandeln. Das fällt schwer, wenn man hier auf Erden seine Stimme nicht täglich zu hören vermag. Aber der gute Wille ist bei den meisten da, ebenso wie bei dem ersten Sohn in meiner Geschichte…“
    Der Engel biss in unterdrückter Wut die Zähne aufeinander. Er hätte gern etwas erwidert, doch ihm fiel nichts ein, was er auf Jeshuas Worte hätte erwidern können. Voll Zorn sprang er auf und blickte auf den Menschen hinab. Jeshua indes sah zu dem riesigen Engel hinauf. Er musste blinzeln, da die Sonne ihm nun ins Gesicht schien.
    „Sag mir, mein Freund. Was denkst du wohl, welchen der beiden Söhne Gott am liebsten hat? Den, der sich redlich bemüht, oder den, der unablässig Zwietracht sät?“, fragte er.
    „Sicherlich den Folgsamen“, zischte der Engel. „Das willst du mir doch sagen, nicht wahr? Das Gott euch Menschen mehr liebt als uns Engel!“
    „Aber nein“, erwiderte Jeshua. Er stand auf und klopfte sich den Staub von den Kleidern, bevor er antwortete. „Er hat uns beide gleich lieb. Denn wir sind beide seine Söhne. Die Liebe eines Vaters macht keine Unterschiede zwischen seinen Kindern. Nicht einmal zwischen so unterschiedlichen, wie wir es sind.“
    Der Engel sah Jeshua verstört an. „Deine Worte verdrehen die Wirklichkeit!“, stammelte er verwirrt. „Du hältst mich und meinesgleichen für das Übel in dieser Welt? Ihr seid es doch, die den Herrn gegen uns eingenommen haben. Ihr habt euch zwischen Gott und die Engel gestellt und uns seine Liebe entzogen.“
    Die Züge des Engels verzogen sich zu einer Fratze des Hasses und des Zorns. „Du sagst mir, Gott habe uns beide gleich lieb – dann sag mir, Jeshua, Sohn des Josef, warum wir Engel hier in der Hölle leben müssen! Fern von Gottes Liebe!“
    Jeshua sah zu dem Engel hinauf. Dann tat er etwas, was noch nie ein Mensch zuvor getan hatte. Er trat auf den Engel zu und berührte ihn sanft am Arm. Der Engel zuckte zusammen, als ihn ein ungewohntes Gefühl von Wärme und Geborgenheit durchströmte. Er war hin und hergerissen. Einerseits empfand er die Berührung durch einen Menschen als unverschämt und anmaßend, doch andererseits hatte er dieses Gefühl, das von Jeshuas Berührung ausging, das letzte Mal im Angesicht des Herrn verspürt. Der Engel schnappte unbewusst nach Luft.
    „Liebe ist nichts, was allein von außen kommt“, flüsterte Jeshua eindringlich. „Du musst sie selbst erwidern, um sie spüren zu können. Du empfindest diese Welt nur deshalb als Hölle, weil du die Liebe, die es in ihr gibt, nicht sehen willst. Löse dich von dem Hass gegen die Menschen, den du in dir trägst, Asasel. Dann wirst du auch den Himmel wiedersehen können.“
    „Woher kennst du meinen Namen?“, hauchte der Engel.
    Jeshua lächelte. Dann ließ er den Arm des Engels los und wandte sich um. Langsam ging er den steinigen Pfad hinunter auf das Dorf zu, das im Sonnenlicht unter einer drückenden Hitzeglocke zu schlafen schien. Einige Steinchen lösten sich unter seinem Tritt und kollerten zu Tal, hinterließen kleine Staubfahnen, die über den Weg wehten. Dieser Weg würde die Welt verändern, wenn Jeshua ihn das nächste Mal beschritt und Asasel wusste das. Doch was er nicht wusste, war, wie die Welt danach aussehen würde.
     
    …
     
    Eleanor sah sich neugierig um. Dieses Zimmer würde also in den kommenden Wochen ihr Zuhause sein. Es unterschied sich nur geringfügig von jenem Zimmer auf der geschlossenen Abteilung von Stratton Hall, in welchem sie bislang hatte leben müssen. Hier in der offenen Abteilung jedoch waren die Sicherheitsbestimmungen nicht so scharf, das Fenster war nicht vergittert, die Tür von außen nicht durch einen Zusatzriegel verschließbar. Die Inneneinrichtung war zwar keineswegs

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