König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)
einer solchen Person um ein Wesen mit den Möglichkeiten eines Engels handelte, so wie Lilith, die Raphael in ihren Klauen hielt.
Nein, für einen Geist standen sie Chancen besser, ihn zu finden. Doch Eleanor hing hier in dieser Welt im Körper eines Menschen fest. Eines schwachen Menschen, der schon in seiner eigenen Welt mit seinen eigenen Möglichkeiten nicht klar kam. Um wie viel besser wäre es jetzt, ein Engel zu sein. Dann hätte sie eine reelle Chance ihn zu finden. Als Mensch würde es ihr nie gelingen.
Es mochten einige Wochen seit Raphaels Verschwinden vergangen sein, als Eleanor eines Nachts zum ersten Mal wieder auf Elizabeth reagierte.
Wie üblich war Elizabeth zu ihr gekommen um an ihrer Seite zu sein. Sie hatte gewusst, dass sie nicht viel erwarten durfte. Eleanor schien sie nicht einmal wahrzunehmen, doch Elizabeth wollte ihre Freundin nicht aufgeben. So lange war Eleanor für sie da gewesen, als sie selbst in der Finsternis des Todes gefangen gewesen war und keine Chance auf Erlösung gehabt hatte. In gewisser Weise waren jetzt die Rollen vertauscht. Nun war es Eleanor, die in einer Welt der Isolation lebte. Eine Welt, aus der sie sich nicht befreien konnte, die sie gefangen hielt und vom Rest der Schöpfung ausschloss.
Doch in dieser Nacht war etwas anders. Ganz plötzlich hatte Eleanors Blick sich verändert. Hatte sie eben noch stumpf und empfindungslos an die Wand gestarrt, war ganz plötzlich ein Ruck durch sie gegangen. Ihre Augen wirkten von einem Augenblick auf den anderen lebendig, sie sah Elizabeth an und lächelte zaghaft.
„Ich weiß, was ich tun muss“, flüsterte sie.
Dann stand sie auf und ging zur Tür.
„Was hast du vor?“, fragte Elizabeth. Doch sie musste die Frage mehrfach wiederholen, bis ihre Freundin reagierte. Mittlerweile hatten sie das Zimmer verlassen und gingen den Flur zum Treppenhaus entlang.
„Hab keine Angst um mich“, sagte sie, während sie noch einmal schwach lächelte. „Es wird alles gut werden.“
„Eleanor, du machst mir Angst. Was willst du tun?“
„Ich werde mich auf die Suche nach Raphael machen.“
„Aber wie?“
Ohne zu antworten stieg Eleanor die Stufen zum Dachboden empor. Dort war die kleine Tür, hinter der sich die Räume unter dem Dachgebälk befanden. Hier hatte Raphael sich dazu entschieden sie zu schützen und ihr Leben zu retten, indem er sie verließ.
Eleanor lächelte traurig. Dann wandte sie sich um und trat an das Treppengeländer. Tief ging es hier hinunter. Sehr tief. Dies war der Weg, den auch Elizabeth schon gefallen war und an dessen Ende sie ein Geist gewesen war, eine Seele, die in Tote Paläste eindringen konnte. Dies wäre der einzige Weg, den Eleanor nehmen konnte, wenn sie Raphael finden wollte. Diesen Weg würde sie gehen.
Sie nahm Elizabeths Aufschrei kaum war, als diese erkannte, was sie vorhatte. Blitzschnell hatte sie das Geländer überwunden und klammerte sich nun ein letztes Mal fest. Dann streckte sie die Arme aus und ließ sich fallen.
Ihr Magen hob sich unangenehm, wie in einem Fahrstuhl, als sie hinabstürzte. Sie hörte Elizabeths hohen Schrei und sah sie weit oben am Treppengeländer stehen, Mund und Augen weit aufgerissen und schnell immer kleiner werdend.
Dann gab es einen unglaublichen Schlag und gleich darauf jagte ein unfassbarer Schmerz durch ihren Körper. Der Schmerz breitete sich aus und sie verzog mühsam das Gesicht. Sie fiel nicht mehr, doch sie war auch noch nicht tot. In ihrer Qual bewegte sie die Finger, die in einer warmen Flüssigkeit lagen, welche sich schnell auf dem harten Steinfußboden ausbreitete. War das Blut? Ihr eigenes Blut?
Sie wollte sich aufrichten, doch ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr. Panik befiehl sie. Ihr Mund füllte sich mit einem bitteren Geschmack, den sie nicht kannte und der Schmerz wurde so übermächtig, dass er die ganze Welt auszufüllen schien.
Und dann verblasste der Schmerz. Er nahm langsam ab, ebenso, wie ihr Blick trübe wurde. Sie brachte schon nicht mehr die Kraft auf, die Augen ganz zu schließen, als es nach und nach dunkel um sie wurde. Das letzte was sie hörte, waren Elizabeths Schreie. Herzzerreißende Schreie, die immer ferner und ferner klangen. Gleich würde sie sich auf die Suche nach Raphael machen können. Bald würde sie bei ihm sein.
…
Ende des zweiten Bandes
Epilog
Jesus in einen Roman einzuarbeiten, war in jeder Hinsicht ein Wagnis. Nicht, weil es ein Novum gewesen wäre – in
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