König für einen Sommer: Roman (German Edition)
nur damit beschäftigt, mir nicht anmerken zu lassen, was gerade mit mir passierte. Aber sie mussten es doch sehen. Jeder musste es sehen. Meine Augen waren drei Zentimeter aus ihren Höhlen getreten. Und meine Eingeweide, mein gesamtes Inneres drückte gegen mein Skelett und versuchte es zu sprengen. Mein Herz drückte und trat gegen meinen Brustkorb. Mein Atem wurde kürzer und schneller. Mein gesamter Körper bebte. Warum wunderte sich bloß niemand darüber? Ich ging auf die Toilette, um in den Spiegel zu schauen. Ganz normal. Ich sah so aus wie immer. Nichts Außergewöhnliches zu entdecken. Aber ich stand doch kurz vor der Explosion! Ich ging zurück zu meinem Platz. Nicht mehr lange und meine Gedärme würden über den ganzen Raum verteilt sein. Splatsch! würde es machen und mein linkes Auge würde direkt in Kellys Glas landen.
»Alles klar, David?«, fragte Andi grinsend. Ihm schien es gut zu gehen.
»Logisch. Alles cool.«
Er würde schon merken, dass etwas nicht stimmte, wenn er meine Gehirnreste von seinem T-Shirt zupfen müsste. Dann kamen die Farben. Und die gleichzeitige Auflösung jeglicher Geometrie des Raumes. Das Jenseits war plötzlich grün und gelb und blau und rot. Die Wände, die Tische, die Theke, alles wechselte ständig den Anstrich und drehte und verbog und verzog sich dabei. Ich hätte das allzu gerne unglaublich cool gefunden, aber es jagte mir eine Höllenangst ein. Mein Atem ging immer schneller, mein Brustkorb wurde immer enger und ich saß in einer riesigen Dose Smarties, die ständig jemand schüttelte. Aufhören!, schrie ich innerlich. Sofort aufhören oder ich sterbe! Aber niemand hörte mich. Was, wenn es für immer so bleiben würde? Kirk hatte mir von einem erzählt, der zehn Trips auf einmal geworfen hatte und nie wieder davon runtergekommen war. Aber ich hatte doch nur einen halben geworfen! So wie immer! War es das jetzt? Würde ich für den Rest meiner Tage in einer bunten, physikalisch unmöglichen Welt am Rande des Explodierens leben? Das durfte nicht sein. Irgendjemand musste doch irgendetwas dagegen unternehmen können. Bestimmt gab es ein Anti-Sinatra. Ein Gegenmittel. Valium, Baldrian, Schlaftabletten, irgendetwas, was einen wieder runterholt. Ein Downer, genau. So hieß das doch. Ich brauchte einen Downer. Oder zehn. Aus der Apotheke. Bestimmt gibt's so was in der Apotheke. Dafür sind sie ja da. Jemand musste mir Downer aus der Apotheke besorgen. Und es gab nur eine Person, der ich diese lebenswichtige Aufgabe anvertrauen konnte, auch wenn ich dadurch in ihrem Ansehen sehr tief sinken würde. Immer noch besser als Explodieren.
»Kelly?«
»Ja?«
»Kommst du mal bitte kurz mit raus?«
Sie folgte mir nach draußen.
»Was ist denn? Du siehst so angespannt aus.«
Gott, war das schwierig. Ich hätte ihr lieber einen Mord gestanden als das.
»Ich ... ich habe etwas sehr, sehr Dummes getan. Und ... und jetzt brauche ich deine Hilfe. Ich weiß nicht, was ich machen soll.«
»Was denn? Los, raus damit.«
»Ich habe ... Ich weiß, es ist so dumm, aber vorher war es nie so heftig ... Ich hab mir was eingefahren und jetzt ...«
»Was? Was hast du dir eingefahren?«
»LSD. Aber nur einen halben Trip, ich schwör's.«
»Verdammt! Du Vollidiot!«
»Ja, ich weiß, aber ...«
»Seit wann geht das schon so?«
»Seit Kirk hier war, aber ...«
»Auf dem Altstadtfest auch?«
„Ja, aber ...«
»Verdammt, ich wusste, dass irgendwas nicht mit dir stimmte. Und im Kino neulich?«
„Ja ... aber das ist doch jetzt erst mal egal. Du kannst mich später noch fertig machen, bitte! Jetzt musst du mir irgendwas aus der Apotheke besorgen, damit ich wieder runterkomme. Ich bin kurz vorm Durchdrehen. Ich kann kaum noch atmen, Kelly! Du musst mir helfen! Bitte! Ich hab eine Scheißangst! Du musst ...«
»David?«
Sie legte ihre Hände auf meine Wangen und sah mir in die Augen.
»Okay. Ich helfe dir. Du musst dich jetzt ganz fest auf den Gedanken konzentrieren, wieder runterkommen zu wollen, okay?«
»Okay.«
»Hast du Hallus?«
»Und wie!«
»Siehst du Sachen, die gar nicht da sind, oder verändern sich nur die Dinge, die du ansiehst?«
»Verändern.«
»Gut. Pass auf. Du nimmst dir jetzt eine Sache, einen Punkt, auf den du dich konzentrierst, und du konzentrierst dich darauf, es so zu sehen, wie es in Wirklichkeit aussieht. Kannst du das?«
»Ich werd's versuchen.«
»Okay. Warte hier. Ich bin gleich wieder da. Geh nicht weg, hörst du? Ich komme sofort
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