König für einen Sommer: Roman (German Edition)
nicht. Irgendwas wird sich schon finden. Abwarten.«
»Macht dir das keine Angst?«
»Angst? Wieso denn? Wovor sollte ich denn Angst haben?«
»Na ja, nicht zu wissen, was aus dir wird, was du zum Beispiel in zehn Jahren machen wirst. Mir würde das Angst machen.«
»Muss ich denn jetzt schon unbedingt wissen, was in zehn Jahren sein wird? In zehn Jahren kann so viel passieren. Vielleicht bin ich ja in zehn Jahren verheiratet und habe drei Kinder? Das kann ich mir zwar heute noch sehr schlecht vorstellen, aber wer weiß? Was wirst du denn in zehn Jahren machen? Weißt du das jetzt schon ganz genau?«
»Jedenfalls werde ich mein Studium beendet haben und höchstwahrscheinlich im Medienbereich arbeiten. Am liebsten bei einer Zeitung. Was privat passiert, kann man natürlich nicht planen. Aber ein Kind schließe ich keinesfalls aus.«
»Zeitung? Daran hatte ich auch schon gedacht. Könnte interessant sein. Oder sterbenslangweilig. Siehst du, das ist es, was ich meine. Ich habe noch nichts gefunden, wo ich sagen könnte: Ja, genau das ist es, was ich machen will. Das würde mir Spaß machen. Für den Rest meines Lebens.«
»Wer sagt denn, dass du dich auf Lebenszeit festlegen musst? Man kann ja auch erst mal was ausprobieren, und wenn es einem nicht gefällt, macht man eben etwas anderes. Es gibt doch so viele Möglichkeiten heute.«
»Zu viele für mich. Ich kann mich einfach nicht für eine entscheiden.«
»Ach, das wird schon noch kommen, David.«
»Das sag ich doch die ganze Zeit. Abwarten. Hast du Lust auf eine Partie Backgammon?«
»Au ja, das ist 'ne Klasseidee. Aber diesmal gewinne ich.«
Wir waren gerade mitten im dritten Spiel – Kelly hatte tatsächlich die ersten zwei gewonnen –, als mich jemand rief.
»David! David!«
Andi stand im Eingang und winkte mich zu sich hin. »David! Komm her! Schnell!«
»Ich komm gleich«, rief ich ihm zu. »Wenn das Spiel fertig ist.«
»Okay. Ich warte draußen. Beeil dich!«
Das Spiel dauerte nicht lange, denn meine Neugier war stärker als meine Konzentration. Er wird doch wohl nicht ...? Nein, woher auch. Aber vielleicht doch. Das wäre ja ...
»3 : 0!«, triumphierte Kelly.
»Verdammt. Du bist einfach zu gut heute. Ich geh mal kurz raus zu Andi. Wir können ja später weiterspielen. Aber dann gewinne ich.«
Ich ging nach draußen. Andi stand rechts an die Wand gelehnt und rauchte eine.
»Hey, Andi! Was gibt's denn so Wichtiges?«
»Dreimal darfst du raten.«
»Nie im Leben! Du hast was? Woher?«
»Zufall. War gerade auf 'ner Party in Bockenheim. Hab einfach jeden angequatscht, der irgendwie danach aussah. Bei einem hat's dann geklappt. Und nur 'nen Zwanziger pro Trip.«
»Das heißt, du kanntest den Typen nicht?«
»Nö. Aber ich hab einen gefragt, den ich kannte, und der meinte, der Typ sei okay.«
»Na dann. Zeig mal her.«
Andi kramte in seinem Portmonee und zog einen kleinen Papierschnipsel hervor.
»Das Zeug ist ja bunt. Warum ist das denn bunt? Ob das wirklich Sinatra ist?«
»Oh, Mann! Ist doch scheißegal, ob das Zeug jetzt bunt ist oder nicht. Das ist eh nur Papier. Vielleicht verkauft es sich besser, wenn es bunt ist. Was ist jetzt? Wollen wir?«
»Jetzt gleich hier? Okay. Aber nur eine Hälfte für jeden.«
»Logen. So wie immer.«
Andi zerriss einen Trip vorsichtig in zwei Hälften und gab mir die eine.
»Auf uns!«, sagte er und schob es sich in den Mund.
»Auf Sinatra!«, sagte ich und folgte.
Wir blieben erst mal draußen, um die Wirkung abzuwarten. Und die Wirkung kam ziemlich schnell. Und sehr heftig. Das war kein sanftes Hineingleiten in eine coolere Welt so wie sonst. Es dauerte keine fünf Minuten, bis ich mich hysterisch lachend am Boden wälzte, weil ein Mann mit einem Hund vorbeigelaufen war. Meine Backen bitzelten nicht nur, sie schienen zu brennen. Andi lachte auch, aber mehr über mich als über alles andere. Beckmann kam kurz nach draußen, um sich Zigaretten zu ziehen. Ich lag auf dem Boden und schrie vor Lachen.
»Was ist denn mit dem los?«
»Nichts. Is nur gut drauf.«
»Ach so. Na dann.«
Es dauerte bestimmt zehn Minuten, bis ich mich wieder einigermaßen einkriegte und aufhörte zu lachen. Wir gingen hinein und setzten uns an einen Tisch in der hintersten Ecke. Kelly saß am Tresen und schwätzte mit Beckmann. Gut. Dann müsste ich wenigstens nicht mit ihr Backgammon spielen und sie würde nicht merken, wie mein Kopf sich immer weiter ausdehnte und zu platzen drohte. Ich sagte keinen Ton. Ich war
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