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König, Hofnarr und Volk: Einbildungsroman (German Edition)

König, Hofnarr und Volk: Einbildungsroman (German Edition)

Titel: König, Hofnarr und Volk: Einbildungsroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Winkler
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weg genommen wird, weshalb immer einer ausscheiden muss. Ein Glücksspiel, nicht wahr? Wer zu wenig flink ist, muss hinaus aus dem Kreis, darf allerdings im selben Zimmer bleiben und das Spiel von außen weiter beobachten. Ja, und dann erinnert mich dieses Spiel an einen Traum, der mich hier zuweilen verfolgt: Wir sitzen im Hörsaal ausnahmsweise im Sesselkreis. Ich weiß nicht genau, ob wir jetzt spielen, ob wir Im-Kreis-Sitzen spielen oder Einen-Sessel-Erwischen spielen, oder was wir sonst hier tun. In dem Moment, in dem alle aufstehen, bleibe ich, als ob ich angebunden worden wäre, an einem der Sessel hängen. Ich fühle großes Unheil auf mich zukommen, da ich, ganz unfreiwillig, gegen eine Regel verstoße und ein Verbot übertrete. Wo ich doch ohnehin längst von hier fort mag! Begreift denn niemand, möchte ich rufen, dass mich hier jemand, wie in meiner Abwesenheit, an den Sessel gebunden hat? Ach. Niemand will ja am allermeisten, dass ich hier verschwinde, und kommt auf mich zu, und verletzt es, verletzt mein Gesicht und schreibt mit einem sehr spitzen Gegenstand etwas darauf. Darauf oder darüber? Merkwürdig, ich fühle überhaupt keinen Schmerz, ich denke einfach nur etwas, wahrscheinlich »aufhören«, ja: Aufhören! Allmählich begreife ich (denn ich scheine, wie Professor Stein richtig erkannt hat, eine geradezu fortgeschrittene Träumerin zu sein), dass ich mich in einem Traum befinde, und womöglich in gar keinem originellen. Sucht der nicht auch andere Menschennächte heim? Handelt sich’s gar um ein Klischeegesicht? Und jetzt, wo ich ganz und gar sicher fühle, dass dies ein Traum ist, dass ich mir alles nur einbilde und nichts davon wirklich geschieht, kann ich aufhören, mich zu fürchten, und sitzen bleiben und mich darauf konzentrieren, was ringsum und weiter geschieht. Und also sitze ich da und warte. Und merkwürdig, es geschieht überhaupt nichts. Ja, ist denn gar nichts passiert? möchte ich rufen und mit dem Fuß am Boden aufstampfen, dass alles bebt und grollt. Hat hier Niemand mein Angesicht verletzt? Merkwürdig, sehr, sehr merkwürdig. Ja, ich lerne hier das Merkwürdige von der Pike auf noch einmal. Und darum schreibe ich jetzt, dass dies hier ein merkwürdiger Moment, eine womöglich gar nicht stattfindende, aber sich durchaus wiederholende Unterbrechung im Fluss und Lauf des Lebens von Lina Lorbeer ist. Und unterzeichne in beinahe ungebrochener Übereinstimmung mit meinem Namen
     
    –.«
    Ist’s nicht zum Lachen? Niemand wird mich als Moderatorin-Mediatorin beschäftigen wollen, angesichts dieser halbnächtlichen Phantasien, und das Professorwerden geht, mit solchen Gesichten, ganz den Bach hinunter. Notfalls aber kann ich damit an Justins Seite um den Bockspreis zwitschern, und das kann schön werden, ja, reine Musik. Kann mich etwa jemand daran hindern, weiterhin zwischen zwei Stapeln mit Büchern zu sitzen und was auch immer zwischen derart lebendigen Wänden zu tun? Niemand, Niemand kann mich hindern zu singen, zu summen, und im Zoo, am Löwengitter, etwas, was entzwei reißen will, zu fühlen, wenn ich dem Brüllen lausche. Und niemand, Niemand kann mich hindern, einzustimmen ins Grillengezirpe, das so manchen Nachmittag im Sommer stilllegt. (Bis zum Sommer dauert’s noch.) Und, wie im Traum, wird mich niemand, Niemand am schönen Träumen hindern. Nein. Und wie werde ich mich erst wieder verwandeln in einen frechen Regentropfen, der die Fensterscheiben in Professor Icks’ Büro hinunter rinnt und hinaufklettert. Solche Verwandlung ist die erste Mundschenkpflicht, und die zweite, ins Meer zu fallen, leise, still und schön, und der Kreise wegen unbesorgt zu bleiben. Was sind denn diese Ringe im Verhältnis zum ewigen Sesselspiel? Nichts sind sie, und nichts werden ist gut. Zu schnell, Lina Lorbeer, zu schnell! – Reisender? Du? Ich, Lina, zu schnell? Ich deute auf den Sesselkreis, um das Missverständnis aufzuklären. Der Reisende nimmt mich an der Hand und schwebt mit mir zur Bibliothek hinaus. (O ja, ich habe hier Schweben gelernt.) Wir laufen die Treppe hinunter, und plötzlich, auf einer Stufe, hält der Reisende inne und entblößt sein Gesicht. Er blickt in eine andere Richtung, so dass ich’s nicht sehen kann, und sehr still ist es, so still, als ob im ganzen Haus niemand mehr gegenwärtig wäre und nur noch wir beide, der Reisende und ich, die finstern Hallen bewohnten. Ich habe Angst, und ich bin glücklich, sehr glücklich. Lina Lorbeer, sagt der Reisende, in

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