Königin der Piraten
schlank und muskulös, die andere überschwänglich, mütterlich und stämmig wie ein Flaggschiff. Beide hatten kastanienbraunes Haar und waren von makelloser Schönheit. Und beide waren Seefahrerfrauen und würden sich daher bestimmt gut verstehen.
Emma drückte die stocksteife Maeve hemmungslos an ihre üppige Brust. »Kommt, lasst uns hineingehen«, rief sie. »Mylord hat mir genau erzählt, wie Ihr Gray gerettet habt. Was für ein Mut! Was für eine Tapferkeit!« Sie schlug sich pathetisch mit der Hand aufs Herz. »Kein Wunder, dass unser lieber Gray so hingerissen ist!«
Emma hakte sich rechts und links bei ihren Gästen ein und dirigierte sie geschäftig zum Haus hinüber; dabei plauderte sie unaufhörlich und rief zwischendurch laut nach Nelson. Der Admiral kam soeben außen ums Haus herum, und so trafen sie sich auf dem Rasen. Zuerst erkannte Maeve ihn gar nicht, denn er war in Zivil gekleidet: Er trug schwarze Gamaschen, grüne Hosen, einen düsteren schwarzen Rock und einen kleinen Dreispitz mit einem kleinen, hellgrünen Augenschirm, der sein gesundes Auge vor der Sonne schützen sollte. In der Hand hatte er einen Gehstock, und in seinem melancholischen Gesicht spiegelten sich nervöse Unruhe, Verzweiflung und, als er Gray erblickte, Erleichterung.
»Gray«, sagte er in dem ernsten Ton, wie er Admiralen, Generalen und ähnlich hochrangigen Persönlichkeiten vorbehalten war, »ich muss mit Euch reden. Sofort.«
»Stimmt etwas nicht?«
Mit einer ruckartigen Kopfbewegung deutete Nelson zum Garten hinüber, wo die Bediensteten für die Hochzeitszeremonie am Nachmittag geschäftig Tische und Stühle aufstellten. »Das will ich nicht hoffen. Könnt Ihr mitkommen? Oje, verzeiht mir, Ihr müsst zuerst frühstücken ...«
»Nein, nein, das kann warten«, entgegnete Gray, den Nelsons offensichtlicher Kummer beunruhigte. Er schaute Maeve an, doch Emma hatte bereits den Arm um sie gelegt und zog sie mit sich.
»Geht nur, ihr beiden«, rief sie winkend. »Gray, vielleicht könnt Ihr unseren Nelson davon überzeugen, dass alles gut wird. Und Ihr, Maeve? Kommt mit, wir haben viel zu tun, bevor die Gäste da sind ...«
Eine Stunde später saß Maeve steif auf einem Stuhl vor dem Spiegel von Emmas Toilettentisch, während Emma versuchte, sie elegant zu frisieren. Als man draußen den Kies knirschen hörte, wusste Maeve, dass die ersten Gäste da waren. Emmas Mutter, eine liebenswürdige, einfache Frau, die sich Mrs Cadogan nannte, eilte nach unten, um sie zu begrüßen. Emma stürzte unterdessen zum Fenster und zog die Vorhänge zurück, sodass die Sonne auf ihr klassisch-schönes Profil fiel.
Sie seufzte entzückt auf. »Ach du meine Güte! Admiral Hood ist da und Kapitän Hardy und dort Lord Barham persönlich! Aber wer ist der Marineoffizier bei ihm? Nelson, ich muss Nelson fragen. Aber wartet, da ist noch eine Kutsche, aus der gerade ein sehr gut aussehender junger Mann steigt - er ist blond und geht an Krücken. Kennt Ihr jemanden, auf den diese Beschreibung passt, meine Liebe? Er ist wirklich ein fescher Kerl!«
»Das dürfte mein Cousin sein«, murmelte Maeve und starrte hölzern auf den Toilettentisch. »Colin.«
Emma bemerkte nicht, wie traurig Maeves Stimme klang und dass ihr die Tränen in die goldbraunen Augen steigen wollten. »Ach ja, natürlich! Der Colin, von dem ich schon so viel gehört habe. Ein Jammer, das mit seinem Bein ... Und da ist Grays Familie. Oh, du liebe Zeit, seht Euch das an! Da draußen tummelt sich ein ganzer Schwärm junger Frauen, alle ziemlich verwegen gekleidet, wenn ich das so sagen darf! Eine von ihnen hat sogar ein Entermesser in der Hand!«
»Das ist meine Besatzung«, erklärte Maeve tonlos.
»Oh, denkt Euch nur, in ein paar Stunden seid Ihr Lady Falconer!«
Maeve sah auf ihre Hände hinunter. »Ja, Lady Hamilton.«
»Emma, Ihr müsst mich Emma nennen. Seht nur, jetzt stellen sie die Blumen auf die Tische. Das müsst Ihr Euch wirklich anschauen, meine Liebe! Und wartet nur, bis Ihr erst den Champagner probiert. Nelson hat aus der Stadt den besten schicken lassen. Er ist wirklich sehr darum besorgt, dass der Tag für Euch und Euren Admiral unvergesslich wird!«
»Lord Nelson ist der liebenswürdigste Mann, den ich je kennen gelernt habe.«
Emma fuhr herum und eilte bestürzt zu Maeve. »Aber Herzchen, Ihr weint ja! Was habt Ihr denn nur?« Sie fasste Maeve sanft an den Schultern. »Das sollte doch der glücklichste Tag in Eurem Leben sein! Ihr seid im Begriff,
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