Königin der Piraten
verdammt sein, wenn er den Beutezug nicht trotz allem durchführte!
Nur seine Stiefel - seine über alles geliebten, kostbaren Stiefel - musste er ausziehen.
Gray holte tief Luft, griff nach unten und ließ sich in die Tiefe sinken, während er zuerst mit Absatz und Fußspitze, dann mit den Händen wild den ersten Stiefel bearbeitete. Er konnte ihn vom Fuß ziehen, dann musste er keuchend ausatmen, sodass ein Wirbel von Luftblasen aufstieg. Er ruderte an die Oberfläche; dabei hielt er den Stiefel umklammert und fluchte, weil er so schwer war. Die ganze Prozedur wiederholte er für den anderen Schuh, dann schwamm er mit bloßen Füßen erneut nach oben.
Sein Kopf tauchte aus dem Wasser, und er stieß den angehaltenen Atem aus. Immer noch wehte eine warme, kräftige Brise über die salzigen Fluten und brachte aus der Ferne die Gerüche der Insel mit - es duftete nach gebratenem Fleisch und üppiger Blütenpracht. Er konnte nicht weit von seinem Ziel entfernt sein.
Doch er wusste nicht, wohin mit seinen Stiefeln.
Heiliger Neptun!
Gray hielt sich mit der freien Hand und den starken Beinen über Wasser, so gut er konnte. Seine Kniehosen, die seine Männlichkeit viel gewagter, ja ungenierter zur Schau stellten als seine gewöhnliche Bekleidung, lagen eng an wie eine zweite Haut. Verdammt, er würde sich nicht von seinen Stiefeln trennen, auch wenn sie ihn am Vorwärtskommen hinderten.
Was machte es schon, dass der alte Schuhmacher in London ihn zweifelnd angesehen hatte, als er den Druck von Henry Morgan zu ihm gebracht hatte. Er hatte den Mann gewiss reichlich dafür entlohnt, dass er ihm ein Paar Stiefel anfertigte wie die, in denen der inzwischen lange tote Seeräuber sich hatte porträtieren lassen. Es hatte ihm solche Umstände gemacht, die Schuhe zu bekommen, dass er verflucht sein sollte, wenn er sie jetzt den Fischen überließ. Erfinderisch wie immer riss er das Messer aus der Scheide, schlitzte ein Loch in das feine Leder am oberen Rand jedes Stiefels, zerrte sich die verknotete, tropfnasse Schärpe vom Leib und zog sie durch die Löcher. Dann band er die Schuhe damit zusammen, bevor er sich die Schärpe wieder um den Bauch schlang, sodass die Stiefel sicheren Halt hatten.
Jetzt war er für seinen Beutezug bereit, und der Teufel sollte jeden holen, der ihn davon abhalten wollte!
Mit breitem Grinsen und kraftvollen Zügen seiner muskulösen Arme setzte er sich in Bewegung und näherte sich beständig der Insel, auf der die flimmernden Lichter von Fairfields Anwesen die Dunkelheit durchdrangen. Schon konnte er den Duft von gebratenem Schweine-und Rindfleisch riechen, den der Wind zu ihm trug; schon hatte er die noch saftigeren fleischlichen
Genüsse vor Augen, die ihn in jenem Schlafgemach erwarteten. Ach, wie herrlich war es doch, in der Karibik zu arbeiten! Das ganze Jahr über war das Wetter mild, und er konnte uneingeschränkt so leben, wie es ihm passte. Köstliche Mahlzeiten bei Tag und erotische Freuden bei Nacht ... und seine hübscheste und jüngste Eroberung war Lady Catherine.
Lady Catherine ... Auch sie würde angemessen gekleidet sein, denn sie wusste, wie sehr ihm die Fantasie gefiel, eine Piratin zu verführen. Natürlich war Catherine nur die gelangweilte und schöne Tochter eines Edelmanns, doch in ihren fleischlichen Gelüsten war sie ebenso unersättlich und einfallsreich wie Gray und stets bereit, sich auf die erotischen Spiele einzulassen, die er sich ausdachte. Er lächelte voller Vorfreude. Während ihr Papa an diesem Abend seine massige Gestalt zwischen den Gästen seines Festbanketts herumschob, einen Toast auf den König sprach und den Kaiser verfluchte, würde sie oben in ihrem Bett warten - ihr Deck frisch geschrubbt und noch feucht, ihre Takelage fest geschnürt und ihre Hafeneinfahrt nur zu bereit, ihn zu empfangen ...
Er konnte es kaum erwarten, in diesem Hafen vor Anker zu gehen.
Solchermaßen ermuntert, konzentrierte er sich ganz aufs Schwimmen. Er spürte die Strömung auf der Haut, und die Wellen schlugen ihm ins Gesicht. Das Wasser war geradezu unanständig warm, und das Salz brannte ihm in den Augen. Fluchend riss er sich die Augenklappe herunter und ließ sie lose um seinen Hals baumeln, sodass sie irgendwo zwischen den fließenden Falten seines tropfnassen Hemdes verschwand.
Allmählich ließen seine Kräfte nach. Er machte eine Pause, trat auf der Stelle und wartete, bis er nicht mehr so außer Atem war. Im Unterschied zu den meisten Seeleuten war er ein guter
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