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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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an seiner Mütze oder kaputten Brille.»
    «Wo bleibt das Schöne?»
    «Soll Anwar neben Ihnen sitzen? Er duftet wunderbar.»
    Thomas Mann stutzte erheblich, dann lächelte er.
    «Pardon.»
    «Für meinen Luther-Roman», seufzte er, «werde ich die Inselmajestät kaum verwenden können.»
    Er bot aus seinem Etui Zigaretten an, Klaus Heuser gab Feuer.
    Die Begrüßungsworte von Oberbürgermeister Gockeln waren angenehm kurz ausgefallen. Kellner eilten zwischen Küche und Tafel. Während manche sich vom Stehempfang bereits zurückgezogen hatten, andere an den Tischen der Terrasse des Malkastens in ruhigerer Tonlage plauderten, wurde den Ehrengästen im Saal Fasanenconsommée in Tassen des Breidenbacher Hofs serviert. Das Licht reflektierte matt auf Geschirr und neuem Parkett. Ein Podest schien für eine musikalische Darbietung vorgesehen zu sein.
    Durch halbwegs geschicktes Umverteilen von Platzkarten hatte Erika Mann es so arrangiert, daß insbesondere Verwaltungsobere nicht in nächster Nähe des Dichters speisten und den Neunundsiebzigjährigen, der von jeher unter trockener Mitteilung litt, nicht mit Details über eine Stadtautobahn und zum neuerdings umstrittenen Zölibatsparagraphen, wonach Lehrerinnen nicht verheiratet sein durften, marterten. Stadträtin Zollicz hatte es beim Platznehmen zwischen dem Leiter des Theatermuseums und dem Direktor der Kunsthalle bemerkt, daß die Dichtertochter dem Vater ein Medikament, Pillen, in die Hand gedrückt hatte. Vielleicht etwas für die Verdauung oder die Nerven. Die Tochter selbst hatte sich einen zweiten Aperitif kommen lassen. Das Ehepaar Heuser aus Meerbusch, das nach der Verfemung abstrakter Malerei offenkundig in die Gesellschaft zurückkehrte, hatte es ihr gleichgetan. Daraufhin hatte auch Ida Zollicz noch ein Glas Picon geordert. Sie staunte, wie raumgreifend das Lachen der Sängerin Mödl war, die hinsichtlich einer Räucherspeise bemerkte: «Die Forelle ist ein sympathisches Tier, besonders seit Schubert sie vertont hat. Sie springt fast vivace auf den Teller.»
    Fisch war laut Menükarte nicht vorgesehen.
    Würde hier jemand zur Buchgestalt avancieren? fragte sich Frau Zollicz.
    Es roch nach frischer Farbe.
    Das berühmte, teils hochwillkommene Paar präsidierte von der Mitte aus die Tafel. Frau Thomas Mann mit schwarzem Spitzenkragen plauderte abwechselnd mit ihrem Gemahl, der, tja, ein Gutteil Deutschlands war, und mit der Gattin des Oberbürgermeisters. Der Dichter lieh sein Ohr dem Stadthistoriker Gönnerwein, der in Ruinenkratern manchen Beleg für eine frühe römische Besiedlung der Flußaue entdeckt hatte. Vielleicht hätte der Nobelpreisträger lieber näher dem Star der Deutschen Oper am Rhein aus dem Glas genippt. Doch durch die Verwirrung von Platzzuweisungen war der gefeierte Mezzosopran neben den Weihbischof geraten, der in Fragen von Pannen im Fidelio -Kerker und Wagner-Dirigaten weitaus weniger firm war, im Grunde gar nicht, als der Nobelpreisträger. An den Kerzenleuchtern vorbei versicherten einander Martha Mödl und der ehemalige Gesprächspartner Gustav Mahlers, daß man nach den Kindertotenliedern eine Woche lang innere Einkehr halten müsse.
    «Aber das geht im Betrieb und im Leben nicht», gestand die Sängerin dem Dichter. Ihr Collier funkelte prächtig.
    «Singen Sie auch Lortzing?» fragte der Weihbischof.
    «Sein Holzschuhtanz bleibt herzerfrischend», flocht Katia Mann ein.
    «Heute wird Musik Krach», meinte unweit der eingezwängten Diva der evangelische Hirte, «wir wollen den Gottesdienst schlicht von einer Bratsche, vielleicht einer Gitarre begleiten lassen. Zur unaufgeregten Einkehr.»
    «Mancherlei befindet sich in Auflösung und Neusortierung. Lauschen wir gebannt.» Nach seinem Einwurf reagierte Thomas Mann wie schwerhörig, ja taub mit keinem Anzeichen auf die Frage von weiterher: «Sie haben einen Roman über einen Komponisten geschrieben. Ich werde ihn lesen. Worum geht es da genau?» Während Golo Mann von der gegenüberliegenden Tischseite mit feuchter Stirn eine Ecke seines Buchs unter der Serviette des Vaters hervorragen sah, übte sich die Schwester vergebens in Fassung. Halbgeleert ließ sie die Suppentasse abräumen und zischte ihrem Vater, am irritierten Stadthistoriker vorbei, zu: «Wie konntest Du? Ihm die Hand reichen! Jetzt läßt er sich sogar noch Nachschlag geben.» Ernst Bertram aß an der Kurve des Tischendes. Sein Anzug mochte vom Trödel stammen. Der Schlips war ein Jammerlappen. Der einstige Berater

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