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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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geht fremd.»
    «Wahrscheinlich sogar Qual der Wahl bei dem Männermangel.»
    «Kesselring ist in der Stadt?»
    «Wir haben ihn in den Zug steigen sehen.»
    «Wer zwei Minuten den Anschluß verpaßt», erklärte ein Herr neben der Rotundenstiege, «der ist verloren. Ganz gleich, in welchem Zusammenhang. Das schafft Druck.»
    «Tja, alles unter Dampf.»
    «Ich verpuffe mit.»
    Eigentlich seit seiner Ankunft in Deutschland schwankte der Indonesier ein wenig. Über zumindest einen Landsmann, einen Kantonesen oder Thai im Raum – Mister Henry vom Old Victorian! – wäre er gewiß glücklich gewesen. Deren Augen hätten ihn nicht wie ein exotisches Tier bestaunt. Beinahe stolperten beide. Vor ihnen in Nabelhöhe genoß ein rotes Geschöpf Sekt. Der Dunkelhäutige und die Minderwüchsige starrten einander einen Moment lang an. «Zum Wohl», hob sie den Kelch, «Spritziges gibt’s am Büffet.» «Danke vielmals.» Sie schien ihre Nachhut bilden zu wollen und folgte ihnen wendig durchs Gedränge. In der Nähe einer gedeckten Tafel steigerte sich die Prominenz. Ein Kirchenwürdenträger tauschte sich möglicherweise mit dem Oberbürgermeister aus. Unweit der vorgebeugt Parlierenden mußte sich ein evangelischer Geistlicher hier im Rheinischen mit einer alten Dame zur Konversation zufriedengeben. Anscheinend mit verhaltenem Neid nahm der Pastor den grazilen Begleiter des Weihbischofs wahr – vielleicht ein junger Chorleiter, der sich mit gefalteten Händen hinter dem Prälaten hielt. Anwesende waren nicht überrascht, daß Kardinal Frings sich vertreten ließ. Der Terminkalender der Erzdiözese war voll, und das Flair dieses Abends mit einem Schriftsteller, der noch nach seiner Audienz im Vatikan «Kunst, Natur und Liebe» als das «letzte Refugium des Menschen» pries, mochte nicht vollkommen nach dem Gusto des Oberhirten sein. Die Abwesenheit Seiner Eminenz bei der Weihe des Hauses blieb indes bedauerlich. Josef Frings war ein begnadeter Redner, volksnah durch den heimischen Dialekt, und ein mutiger Seelsorger. Er hatte jung im Amt von der Kanzel aus das Bedrängen der Juden als «himmelschreiendes Unrecht» gebrandmarkt. Nach dem Ende hatte der Kardinal nicht minder entschlossen über die Stille Hilfe – die natürlich nicht gänzlich geräuschlos arbeitete –, dafür gesorgt, daß sogenannte Kriegsverbrecher, Lagerleiter, medizinisches Personal solcher Stätten in einen möglichst unbehelligten Lebensabend nach Südamerika entweichen konnten. Man meinte, dort schiene immer die Sonne, doch auch Uruguay kannte Frost.
    Einige Ehrengäste hatten am Tisch Platz genommen, nestelten in Taschen und ließen den neuen Raum auf sich wirken. Regierungspräsident Baurichter wirkte etwas unpäßlich, sah blaß aus. Er blickte auf.
    «Er hat fabelhaft gelesen. So plastisch.»
    «Das Hüsteln schien manchmal dazuzugehören.»
    «Meine Großmutter hat ihn vor Jahrzehnten in Dresden gehört.»
    «War der Jubel echt?»
    «Man jubelt.»
    Die meisten Gäste fanden sich um Stehtische zusammen. Ihnen wurden belegte Brote, Käsehappen mit Trauben, doch auch ein Ragout in Schälchen angeboten. Große Attraktion übte die Terrasse aus, wo ein Ausschank umlagert wurde.
    «Was soll ich hier?» Klaus Heuser trat hinter Anwar Batak.
    «Du jetzt da bist», sprach der zur Seite.
    «Ich bin ein Lüftchen in der Welt. Was habe ich mit ihm zu schaffen?»
    «Ich dachte, Dichter lieben.»
    «Wer wen?»
    «Wieso?»
    «Du sein Werk.»
    «Nicht das ganze.»
    «Er dich hat verschlungen. Du dunklere Augen als Gemahlin.»
    «Damals», tat Heuser das ab.
    Hütchen, Dauerwellen und Scheitel um ihn. Helferinnen hielten Buchdeckel offen, bis die Tinte getrocknet war. Sein Haar und seine Brauen waren ergraut. Thomas Mann signierte unter einer Wandleuchte. Es ließ sich erkennen, daß Sonderwünsche für Widmungen geäußert wurden. Die Schläfenader wies auf die Anspannung, die Zueignungswünsche zu erfassen und sich dabei nicht zu verschreiben. Sein Frack saß makellos. Er schien den Blick durch den Saal schweifen lassen zu wollen. Der Waterman-Füllfederhalter setzte neuerlich zur Unterschrift an.
    «Ich kann nicht.»
    «Sei kein Hase Angst.»
    Die Blicke trafen sich. Thomas Mann legte den Kopf in den Nacken, schloß die Augen. Klaus Heuser räusperte sich auf den Handrücken. Bewunderer mußten warten. Der Dichter schien sich auf die Lippen zu beißen, die offenbar sogar zitterten. Heuser trat einen halben Schritt vor: «Das geht nicht gut.» Thomas Mann

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