Königsallee: Roman (German Edition)
nahm eine ihrer Zigaretten, «1936 heuerte ich auf der Heidelberg an. Bremerhaven.»
«Du auf hoher See?»
«Sechs Wochen Überfahrt nach Indonesien. Ich diente an Bord eher der Unterhaltung. Export Schneewind nahm mich unter Vertrag.»
«Fein», befand sie.
«Zuerst wohnte ich bei Schneewinds selbst, bald im Hotel Centraal. Dann immer Hotels.» Es klopfte. Erika Mann sagte: «Herein.» Kellner Starke bugsierte den Servierwagen über die Schwelle. Er schien erfreut, eine Dame auf dem Bett vorzufinden, fuhr den Imbiß zum Fenster und hob den Champagner aus dem Eisbad. Der Service präsentierte das Etikett. Roederer. Auch die Sandwiches schienen perfekt zu sein. Dünnes Weißbrot ohne Kante, diagonal geschnitten, mit Roastbeef und Gurkencreme zwischen den Hälften. Das Haus hatte Mixed Pickles mitgeliefert. Befremdlich wirkten allein die Flasche Jägermeister mit Schnapsgläschen. Doch Erika Mann ließ sich gleich von dem Wolfenbütteler Kräuterlikör einschenken und genoß vor den verhalten Erstaunten ein Glas, dann ein zweites: «Habe ich bei den Dreharbeiten von Königliche Hoheit schätzen gelernt. Beruhigt den Magen, räumt auf, belebt Leib und Gemüt.» Auch eine dritte Portion wollte ihr bekommen. Die trockene Haut von Hals und Händen schien allerdings ihre Ursache zu haben. «All die Kuren in Sils, in Baden, Aussee werfen einen beinahe noch mehr aus der Bahn, als daß sie Kopfweh und diese Schlaflosigkeit linderten. Sie spritzen Vitamine, verbieten jedes Getränk, das anregt und gleichzeitig schläfrig macht, man hockt in Aussee auf einer Parkbank und grübelt sich immer kranker. Besonders dieser Juni in Wolfratshausen war ein Fiasko. Ich hatte mich zu vier Wochen Heilschlaf bereit erklärt, aber sag mir, wie zur Ruhe kommen, wenn es an allen Ecken brennt? Unsere neue Bleibe in Kilchberg war keineswegs fertig eingerichtet, Mielein wollte den Perser in die Halle legen, ich ins Eßzimmer, allein das Büchersortieren, der Krull mußte gegengelesen werden, und ein bißchen was will man ja schließlich selbst noch zu Papier bringen. Die Nerven lagen blank. Ich glaub’, ich bin dieses Jahr schon drei Autos ins Heck gerauscht. Kein Vergleich zu Mielein, die noch mit siebzig nur das Gaspedal, aber keine Ampeln kennt. In Zürich stapeln sich die Verwarnungen und Anzeigen. Doch die Kantonalpolizei weiß, wer wir sind, und Anwälte gibt es dort wie Sand am See. Kurzum, in Wolfratshausen mit seinem Rundumentzug und nervtötenden Heilschlaf war’s nicht auszuhalten. Nachdem noch die Stationsschwester das allbekannte Interviewstatement des Zauberers gegen die Wasserstoffbombe, die uns vor dem Kommunismus bewahren soll, vor mir persönlich bemäkelt hatte, habe ich mich von this horrifying nurse in meinem derbsten Bayerisch verabschiedet: Hoits Mai, Drecksau dreckerte, und gepackt.»
«Deutlich. Sakra», bestätigte Klaus mit einem ihm komplett ungeläufig gewordenen, doch aufgewachten Wort. «Woher stammt eigentlich die Bezeichnung Zauberer?»
«Von einem Faschingstrubel in den Zwanzigern. Die Bildhauerin Christa Hatvany, die auch den Film Mädchen in Uniform schrieb – ich spielte mit –, hatte in ihr Atelier geladen. Mielein war im Sanatorium. Obwohl ein Freund von Festen, zierte sich der alte Herr. Maskentreiben. Vielleicht zu konvulsivisch. Frisch gewagt, zieh dir irgendein Cape über, überredeten wir ihn, und aus Tüchern wand ich ihm einen Magierturban. So wurde er’s.»
Jahrzehnte waren ins Land gegangen. «Wie geht es ihm?» fragte Klaus Heuser. Er war auf ärgste Antwort gefaßt.
«Leidlich», bemerkte sie knapp. «Er kuriert einen Katarrh aus. Treupeltropfen, Emser Pastillen, von mir Benzedrin für den Kreislauf, eine halbe bewährte Phanodorm für den Mittagsschlaf.»
«Das müßte wirken», befand Klaus.
«Wie ein Unsterblicher auf sich achtgeben muß», sann sie und schenkte sich einen Likör nach. Eine der Champagnerflöten, die Herr Starke dezent gefüllt hatte, reichte sie hinter sich Anwar Batak: «Sind Sie Buddhist oder Mohammedaner?»
«Gott ist groß.»
«Das kann man, falls man’s glaubt, so stehenlassen.» Sie ging zum erfrischenderen Roederer über, und man stieß wegen der Sitzsituation, zwei auf dem Bett, einer vor der Frisierkommode, etwas umständlich an. «Mein Kompliment», bedankte sie sich beim Kellner, «veritable Cucumbersandwiches bekommt man selten.»
«Werde es gerne der Küche ausrichten.»
«Tun Sie das, wir wollen uns doch auch am Kleinen freuen.»
«Noch ein
Weitere Kostenlose Bücher