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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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In Europa mußte er durchaus mit unerwarteten wuchtigen Begegnungen rechnen, die auch viel inneren Gewinn abwerfen konnten.
    «Fürchtet er sich? Doch nicht vor mir.»
    «I wo. Anwar ist mit Tigern und Taifunen aufgewachsen und drückt perfekt Logierpreise.»
    «Ich dachte, er heißt Batak.»
    «Phänomenales Gedächtnis. Er heißt alles drei.»
    Diese Auskunft ließ Erika Mann auf sich beruhen, ihr Blick erfaßte die Teekanne, streifte über das Lager, wo sich eine leichte Entspannung andeutete, und verharrte beim Telephon. «Darf ich?» Sie wählte. Klaus nickte. «Bitte eine Erfrischung und ein paar Sandwiches. Heuser, Fünfhundert. Champagner, Roederer, ja, meinetwegen Veuve. Und Jägermeister … Natürlich eine Flasche.» Harsch folgte: «Oder lagern sie den im Faß? Auf Rechnung Benrath-Suite.»
    Sie preßte kurz die Fingerkuppen an die Schläfen, zündete sich eine Zigarette an, ließ sich auf einem Cocktailhocker nieder und schmauchte einen Kringel gegen die Decke. «Klaus schrieb zu rasch», murmelte sie, «in Treffpunkt im Unendlichen brachte er die Hotelzimmernummern durcheinander. Vielleicht auch zu autobiographisch, dann geht der Stoff irgendwann aus … Golo klemmt sich hinter historische Gestalten, aber die gibt es wenigstens en masse … Sandwiches hier werden eine Katastrophe sein … Wahrscheinlich serviert die Ex-Gestapo», verstummte das kleine Selbstgespräch. Sie war schön anzusehen. Die schlanken Beine hatte sie übereinandergeschlagen, ein Fuß unter crèmefarbenem Ledergeflecht wippte, den Kopf hielt sie schräg geneigt, die Lider schlossen sich müde, der Rauch schlängelte sich an schmaler Wange, freier Stirn und einer grauen Haarwelle empor. In sich gekehrt saß sie, wirkte seltsam schutzlos vor der Wand. Die dreiviertellangen Ärmel gaben gebräunte Haut frei. Sie blickte zu Klaus Heuser auf, die großen Augen glänzten, Geschichten spielten sich dahinter ab, Erinnerungen mochten sie jagen, überbordende Zeit war in ihnen ahnbar, verzweifelte, leere, neuer Elan, feinste Wachsamkeit. Ein Lächeln flog über ihre Lippen. Es wollte einleuchten, daß niemand eine solche Frau bleibend an sich binden konnte. Die Augen waren Sehnsucht, die Lippen im raschen Wechsel Kummer und Mutwille, der Körper ruhte über nervösem Fuß. In ihr regierte vielleicht ein unablässiges Bewußtsein, in dem sich Ansprüche und schöne Selbstverlorenheit verbinden sollten, Eigenständigkeit und Zugehörigkeit. Neben allem sonstigen, wußte Klaus aus jungen Jahren, war sie eine gefeierte Rallyefahrerin gewesen, die nach dem Durchrasen Europas als Siegerin auf den Kurfürstendamm gesteuert war und sich in den Zeiten der holprigen Chausseen und Sandpisten mit Gefährten bis nach Marokko, nach Persien gewagt hatte. «Ein toller Ausnahmezustand» war damals eine Zeitungsmeldung über die bekannte Tochter betitelt gewesen.
    Ein wohltuendes Lüftchen strich durch die Mansardentür herein. Erika Mann erhob sich, faßte im Vorbeigehen Klaus Heuser kaum spürbar abermals an die Schulter, trat hinters Gitter und schaute über die Dächer, in die Weite, die vordem eine schmucke Polis gewesen sein mußte. Und schon wieder bedrohlich rege. Mit gewisser Sorge beobachtete er Erika von hinten am Geländer. Der Kleiderrock wehte. «Schönes wüstes Land», vernahm man sie, «hat mich genährt, liebte es immer, ja, natürlich aus der Ferne am meisten, deshalb der große Haß, wie es sich besudelte. Mordtreiben auf gesegnetem Boden, alles beschmutzt, was einst zählte, Treue, Heimatliebe, Würde. – Jetzt können uns nur noch die Musik Bachs, Hanns Eislers, Schiller und das Widerständige und ausschließlich gute Taten vor dem Weltgewissen retten, vielleicht, ganz mählich.» Ihr Finger wies auf Fernes, «wie es geschehen konnte, in der Mentalität, bleibt ein Rätsel. Es gab doch nicht nur Kadavergehorsam, sondern auch Lessing und frohe Lieder, Gastlichkeit und friedvolle Opferbereitschaft. Womöglich, ja, wird eines fernen Tages niemand mehr nachfragen, warum Deutschland mit heller Begeisterung zerstören und morden wollte, es sinnt auch kaum jemand mehr darüber nach, aus welchem Furor vor Jahrhunderten Katholiken und Protestanten aufeinander lospreschten, um sich gegenseitig möglichst spurlos auszurotten. Auch ich kann mir eine schönere Beschäftigung als Mahnpredigten vorstellen. Fürwahr. Aber so weit sind wir noch lange nicht, beim Vergessen. Ein Fremdes oder ein uns Innewohnendes hat uns ein Übles getan.»
    Sie wandte

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