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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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trotzdem nicht wunschgemäß. Wollte eine Hand nach Klaus greifen? Sie plumpste auf den Rand des Aschenbechers, der ohne Flugbahn umkippte und sich aufs Tuch entleerte. Und Anwar wurde kleiner. Die Sakkoschultern verblieben noch ein bißchen oben, während ihr Träger offenbar keinen Halt mehr auf dem Stuhl fand und, den Blick unverwandt geradeaus gerichtet, dem Gesetz der Schwerkraft folgend an der Tischkante vorbei zum Boden zu rutschen drohte. Er rülpste furchtbar laut auf. – «Sie sagten, Ihr Geschäftsfreund wäre zäh.» Golo Mann betrachtete reichlich untätig das Geschehen, während Heuser nicht helfend aufspringen konnte, da die Beine des Gegenübers die seinigen umklammerten: «Champagner und Jägermeister mit Ihrer Schwester, Niersteiner im Hotel, Faßbier hier, Kümmel, nochmals einen knappen Liter. Zu Hause trinkt er nur gelegentlich Cocktails. Und lassen Sie sich mal nach meiner Mutter einen ganzen Tag lang in einer Fremdsprache mit dem Butzemann, der Rheinlandbesetzung und den Übergriffen von Stefan George zuschütten. Gleich kommt die Pastete retour.»
    «George habe ich nicht erwähnt. Ist mir nicht widerfahren. War wahrscheinlich nicht hold genug.» Golo Mann saß starr zurückgelehnt und schützte sich mit seiner Mappe. Heuser befreite seine Waden, bog mit zwei Schritten um den Tisch, fasste den rapide Abrutschenden unter den Achseln und hievte ihn ans Licht.
    «Alter Kerl. Kennst doch dein Maß. Irgendwann sind wir wieder daheim», sprach Heuser auf den Gefährten ein.
    «Nimmer opium, nooit meer schnaps», lallte es über den Kragen zurück.
    «Toilette?»
    Ein Griff zur Schlipsschlaufe und dunkles Schnaufen mochte anderes signalisieren.
    «An die Luft mit ihm», ordnete Heuser an, «Sie links, ich rechts. Und Sie zahlen», kam es ungewöhnlich bestimmt, «das sind Sie uns schuldig», woraufhin Golo Mann bereitwillig nickte, dann aber ein kleiner Vorbehalt, vielleicht aus Geiz, sichtbar wurde, was Heuser nicht scherte. Eigenartig, daß er selbst sich nüchterner fühlte, in Maßen und fälschlicherweise, seitdem Batak der Geist verließ. Die Zeche war bei Frau Inge rasch beglichen, quasi als Erbvorschuß von Thomas Mann. «Viel Wasser, kalte Umschläge», riet die versierte Bedienung, «die Hübschen vertragen am wenigsten», entfuhr es ihr, und sie bahnte den Herren den Weg. Dem Publikum wurde ein stimmungsvoller Abgang geboten. Zwischen den beiden Europäern baumelte der Dunkle fast in der Luft, nur seine Schuhspitzen unter den Gamaschen, die an Lebensstil gemahnten, schlurften über den Boden. «Habe ich lange nicht gemacht. Das letzte Mal mit meinem Bruder Klaus im Bedford Hotel in New York», gestand Golo Mann, «aber der arme Eissi war noch schlimmer dran. Vielleicht braucht man selbst mal solche Stützung.»
    «Nächstenliebe ist Eigenliebe», befand Heuser und prüfte, ob Anwar auf der anderen Seite gut geschultert war. Immerhin besaß der noch den Instinkt, sich fest an die Schlüsselbeine zu krallen. Von der Neusser Stube gelangte die Gruppe in den nicht mehr ganz vollen Vorderraum. Anwars Atem blies pure Promille mit einem Aroma, das noch zart den Nelkendampf seiner heimatlichen Lieblingszigaretten verriet. «Koln … Domm.» Dort befand sich der Asiate zwar nicht, aber trotz nur eines geöffneten Auges schien er noch zu Wahrnehmung und Benennung befähigt zu sein. «Dommm … Nicht zu … Mutter. Thomas Mann küssen», das schien den Europareisenden ganz besonders zu amüsieren, ein Lachkichern klang auf, «Klaus der einzige, häh! … Dommm … lekker Frätzchen.» Golo Mann wirkte ein bißchen pikiert durch derlei Details, aber sah sich auch bestätigt in familiären und sonstigen Vermutungen. Hatte der Alte neben seinem himmelhohen Ruhm vielleicht sogar noch heftiger gelebt als er selbst? Welche Schmach fürs Ego. In die Tagebücher hatte er bei deren Rettung nicht hineingeschaut. «Dommm.»
    «Das kennen wir nun schon.»
    «Nehmen Sie gleich eine große Flasche Apollinaris mit», empfahl die Kellnerin, «je eher er verdünnt, desto besser. Es wird doch nicht an der Pastete liegen?» Sie hielt die Tür des Goldenen Ring auf. Heuser verkniff sich jeden Kommentar, als der zweite Träger rasch das Mineralwasser und noch eine entkorkte Flasche mit dem schlichten Etikett orderte. Im Windfang wurde mit zwölf Mark die letzte Bestellung beglichen. «Schönen Abend und gute Nacht», wünschte Inge, «und beehren Sie uns wieder. Wir haben auch wieder Telephon, falls Sie reservieren

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