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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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wollen. Zweimal die Fünf, dreimal die Drei.»

Vom Geist Amerikas
    Papier wehte über die Schuhe. In der warmen Böe wirbelte ein Zeitungsrest übers Pflaster davon. Passanten hielten den Hut auf den Kopf gedrückt. Eine Frau eilte vorbei. Das Licht in der künftigen Pizzeria war erloschen. Ein Transparent mit dem Termin der Holländischen Woche wollte im Gewitterhauch knattern, doch es schlaffte nur in der Luft. Blitze zuckten im Westen. Der Burgplatz schien sich nach Regenkühlung zu sehnen. Donnergrollen folgte schwach. Das Unwetter entlud sich auf der anderen Rheinseite. Hinter Oberkassel war das Nachtdunkel violett. Wohl auch in Meerbusch mochte das Gewitter sich über Haus und Garten von Mira und Werner Heuser entladen. Weh dem, der die Dachfenster nicht fest verschlossen hatte, wenn der Sturm die Äste niederdrückte, Sonnenblumen bog und den Regen gegen die Terrassentüren prasseln ließ. Das Leuchten am Horizont durchschien den Schloßturmstumpf, ließ Lack und Zahnpastawerbung einer fast leeren Straßenbahn glänzen, die vom gekurvten Gleis des Platzes zum Rathausufer bog.
    «Auf die Bank, zum Fluß», dirigierte Heuser, «da kann er sich auch übergeben.»
    «Falls es nicht schon hier passiert.»
    «Welch Wiedersehen mit dem Strom.»
    Beim Schleppen des Indonesiers hatte es Golo Mann schwerer als Joseph von Ägypten, denn unterm freien Arm klemmte die nun bauchige Tasche. Eine minimale Unterstützung bedeutete es, daß Anwar, aufgehängt zwischen Schultern, selbst versuchte, Pflasterfühlung zu wahren und ein paar Schritte zu straucheln.
    «Stellen wir uns den Niederungen.»
    «In einigen Fällen sogar gern. Mit Lust!»
    Erstaunlicherweise wurde aus der Mitte «met vreugde» zurückgenuschelt. Die Steinstiege zur Promenade und Kaimauer hinauf war steiler denn je. Erst jetzt wirkte das «Dommm» angebracht, aber in Köln wären sogar etliche hundert Stufen zur Turmspitze zu bewältigen gewesen. Golo Mann schien sich seiner Zeiten als begeisterter Pfadfinder, der auf Landtouren alle Beengung hinter sich gelassen hatte, zu entsinnen und profitierte von seinen Kräften als Wanderer, die es nun treppauf zu nutzen galt. Das Eisengeländer hatte zwei Weltkriege überstanden. Vor den Augen taten sich das Spazierufer und die Weite des Rheinbogens auf. Signallichter von Frachtkähnen zogen aneinander vorbei. Das gute alte gebrauchte Wasser schimmerte finster. Nach der Neusser Stube ließen sich Umrisse von Neuss selbst erahnen. Laternenschein nah und fern. Von Bewegung, Bauen, Zivilisation, Schaffen, Untergängen, neuerlicher Regung durchgewalktes Land, seit den Römern immer noch nicht ermüdet, eine Pfanne, in der das Leben unterbrechungslos verrührt wurde. Herrlicher Niederrhein, hätte man ausrufen mögen.
    Fast alle Bänke standen leer. Auf Sitzplatz Nummer fünf oder sechs flußaufwärts umfaßten sich gleichfalls Gestalten, zwei, die innige Trunkenheit wahrscheinlich noch vor sich hatten.
    Anwar Batak baumelte.
    «Gentz.»
    Ein scharfer Blick von links ließ rechts den Sprechenden verstummen. Kies knirschte unter den Sohlen. Dazwischen hinterließ der Freund eine Schleifspur.
    «In der Literatur», vernahm Klaus Heuser, «hasse ich Szenen mit Alkohol. Prosten und Suff suggerieren oft nur eine Stimmung, hinter der sich nichts Nennenswertes verbirgt. Rausch ist der Folklorismus der Belletristik. Das Wesentliche gestaltet sich in einiger Klarheit. Der Rest gerät zu Gedröhn.»
    «Noch was?» fragte Klaus. «Vielleicht macht seine Pumpe schlapp.»
    Seine Oberarme fest umklammert haltend, ließen sie Mijnheer Sumayputra auf die Bankplanken sinken. Er schwankte. Man mußte sich beidseitig dicht neben ihn setzen. Größeres Gedröhn war von ihm nicht zu erwarten. Immerhin öffneten sich die Lider, und der Zusammengesunkene starrte auf den Rhein. Golo Mann drückte ihm das geöffnete Mineralwasser in die Hände, zog den Korken aus der zweiten Flasche und reichte sie Klaus hinüber: «Das braucht man jetzt.» War das Lispeln im Wirtshauslärm kaum vernehmlich gewesen, so fiel es jetzt wieder auf. Heuser trank aus der Bouteille, an diesem Tag war es gleichgültig. Hier war keiner mehr nüchtern.
    «Friedrich von Gentz.»
    Heuser blickte böse. Die Sprecheigentümlichkeit verschärfte sich noch beim tz.
    «Sie müssen morgen handeln. Wohl und Wehe hängen davon ab. Leib und Leben. Meines. – Ich blieb stehen bei?»
    «Gentz», gab der heimgekehrte Sohn der Stadt sich drein und reichte das Getränk zurück.
    «Der

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