Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
Vom Netzwerk:
Laternenfuß wehte, doch das zerknitterte Bild erweckte den Anschein.
    «Ich habe vorsorglich einige Stellen unterstrichen: Vieles, was wir den Amerikanern vorwerfen, haben wir selbst in uns und sollten im eigenen Lande darüber wachen, anstatt es als eine von außen, von Amerika uns drohende Gefahr anzusehen … Wir brauchen Amerika nicht bloß, weil es uns hilft, Macht mit Macht zu balancieren. Wir brauchen es, weil wir es selber sind. Amerikas Katastrophe wäre unsere eigene Katastrophe … Luzide, unaufgeregt, dienlich. Nun, Sie ziehen zwanglos dieses Buch hervor und fragen, ob er es schon ausgelesen und hinreichend gewürdigt habe, auch mir persönlich gegenüber. Ja, daß Sie sich vorstellen könnten, daß er für meine gedankliche Leistung unbedingt einen namhaften Rezensenten interessieren müßte, Bertrand Russell, Bundespräsident Heuss, meinetwegen Hannah Arendt, die Plustertüte … Die stets Erregte, fast immer Empörte – gleicht schier meiner Schwester –, die mein Doktorvater Jaspers als seine Meisterschülerin mir offenbar vorzieht, philosophiert zwar mächtig, aber oft nur originell. Ach, sie wird für mich und meinen Drang, zu bewahren, gar nichts tun wollen.»
    «Ich kenne die Herrschaften nicht.»
    «Falls er nicht in personam seinen Sohn einmal öffentlich feiern will. Namen anderer möglicher Rezensenten habe ich auf einem Zettel vermerkt. Es ist ganz einfach, Sie blättern nonchalant, das können Sie, und sagen, wie nebenher: Dies hier – Amerika sind wir selbst … Und Sie betonen ganz zu Recht, daß der dichterische Genius der Familie in mir seine verwandelte Zukunft hat, dem frei erzählenden Historiker! Den die Nation braucht. Er wird zur Kenntnis nehmen, lächeln in seiner unnachahmlichen Art, dieses leichte Lüpfen der Mundwinkel, und Sie müssen nachschieben: Vaterpflicht und gerechter Sinn vereinen sich in der Bemühung, solches Werk zu preisen. Durch ein öffentliches Wort von hoher Stelle lebe ich auf, kann ich die Ärmel hochkrempeln und beherzt weiterschaffen. Denn dann bin ich gesegnet.»
    In den Kronen der Platanen verfing sich der Wind. Das Tuten der Kähne verklang über Fluß und Stadtterrasse. Klaus erhob sich. Er hievte Anwar empor. Der schwankte beträchtlich. Heuser zog dessen baumelnden Mantelgürtel durch die Schlaufe. Waren sie die letzten hier oben auf Bellevue? Golo Mann blickte erwartungsvoll, furchtsam. Das Licht vom Goldenen Ring am Burgplatz erlosch.
    «Ich kann nicht, Herr Mann.»
    Golo Mann stemmte sich vom Banksitz hoch, verharrte neben der Seitenlehne.
    «Ich darf es nicht. Er würde es nicht verkraften. Es ist mir verboten worden. Ich mische mich da nicht ein.»
    «Ich werde nie etwas!» schrie Golo Mann regelrecht auf und ballte verzweifelt die Fäuste. Die Augen schienen feuchter zu glänzen. «Ungesegnet.»
    «Komm, Anwar», sagte Klaus leise und klemmte dessen Arm unter den seinen. Der Asiate strahlte über das umnebelte Gesicht. Er fixierte etwas rötlich Krabbeliges auf seiner freien Hand und streckte sie dem Sohn Thomas Manns entgegen, der den Feuerkäfer, der auffliegen wollte, nicht zur Kenntnis nahm.
    Zwei Gestalten nahmen eine Treppenstufe und hielten sich am Geländer fest.
    Auf der Bank kauerte die dritte und preßte die Mappe an die Brust. Dicke warme Tropfen begannen zu fallen, sprengten kleine Krater in den Sand. Die Rheinfluten schienen durch Vorboten des Unwetters aufgerauhter zu schimmern.

Das Siebente Kapitel
    … man mußte solches wagen.
    Dunkelheit, du Schöne. Botin des Ewigen. Seidenhemd der Nacht, der ewigen. Ehedem, als man nichts wußte, nicht vorhanden war, es sei denn als Plan und Spielgespinst der Sterne, im Odem des Numinosen. Dermaleinst wieder Seidennacht in den Schächten des Nichts, fühllos die Seele hoffentlich, die Transparenz, die nichts von sich wüßte, nicht mehr wäre.
    Dunkelheit, erschütterndes Labsal. Gleich wo, die Dunkelheit allerorten war fast die nämliche, weichere Schwarzluft unter Südmonden, herbere Undurchdringlichkeit, wo Nordwellen sich an Küsten brachen. In Mittellanden, in Mittelgebirgen, Mittelorten, Baden-Baden, undefinierbare Nachtmorgenschwärze, das Allgemeindunkel, das Sauerstoff zuführte, unter unsichtbaren Schlafmatten begrub, Erholung gewährte, stets an die Abreise, die große, gemahnte, Kindheitsdunkel auch, und immer sollte ein Erwachen sein. Ach. In welche Verhängnisse, Aufforderungen, Anforderungen? Fordertest du es heraus?
    Ein Spalt zwischen den Vorhängen? Kaum ein Ritzlein.

Weitere Kostenlose Bücher