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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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drehe mich um und züchtige mich aufs Blut! – Dergleichen las er vor? Vor Tausenden. Sie wollten es. Das Prickelnde, offenbar, das in den Fasern rumorte, vereinigte er, offenbar, mit höchstem Anspruch. So wird das Sämige erlesen und dem Exquisiten Pfeffer beigemischt. Es sei. Stumpf jedenfalls kam keine seiner Figuren daher, eher mit den längst legendären, geliebten, gehaßten: Defekten! Was ist das Leben ohne Defekt? Defekt, Wahnsinn, die Distanz vom eintönig Rüstigen, die Schraffur des Monochromen. Vielleicht ist alles, was ich geschaffen habe, eine einzige Peinlichkeit. Vielleicht ist aber auch das Dasein rundum eine ebensolche. Peinlich das erste Atemholen in Blut und Kot, peinsam jede zweite Regung, wenig Glorie, zu Staub zu werden. Ein Schlamassel, dies ganze Biegen und Verbiegen, mit niedrigen Verrichtungen alle naselang, hielten allein in Form der Mantelstoff, die aufmerksame Begrüßung, der Thee zur rechten Zeit – und, fürwahr: das Wort! Das Wort, das fein gesiebte – jedes siebte Wort ein richtiges? –, das ihm längst, seit jenen frühen Tagen in Italien, in gebenedeiten Strömen, unverdient und doch streng errungen, zufloß – ich Glückskind, das Unglück durch Zucht bannen muß, das Wort, auch das von alten Menschengeistern geheiligte deutsche Wort, gerade dies, noch immer, vielleicht wieder, der Buchstabengeist, der Letternzauber hielt strahlend das Schöpfungschaos beieinander, zusammen. Ja, so war’s! Das entschuldigende Wort, das Wort des Begehrens, die Silben des Zagens, die Laute des frohen Aufrufs: «Seid willkommen, liebe Gäste, auf Erden und bei mir!», diese Herzenskehlenbrustlaute, Hirnspitzfindigkeiten und Eingeweidesilben – «Du, ich, wir, alle, alles» – gürteten des Daseins Unsinn, machten ihn zu Sinn, vielleicht doch gar …
    Dichter lieben nicht zu schweigen,
Wollen sich der Menge zeigen …
    Wer band alle Mühsal und Erreichtes besser zusammen als der Übergeist, ja, er, der vom Frauenplan, All-Erfasser, All-Verwandler, dieser beschirmend Übermächtige – oder doch Mitgespiele in Klingsors Wörtergarten? –, er, der durch seinen Tod verwaistes Land zurückließ, bis andere die Fackel der sinnlichen Durchgeistigung ergriffen!, manchmal matter zwar, doch tüchtig, redlich, liebeliebend, er erkannte zu Weimar gut und ermunterte zum Werk:
    Was ich irrte, was ich strebte,
Was ich litt und was ich lebte,
Sind hier Blumen nur im Strauße;
Und das Alter wie die Jugend,
Und der Fehler und die Tugend
Nimmt sich gut in Liedern aus.
    Melos zur Verzauberung, zur Entrückung, Nomina, die Begriffe zum Erhaschen. Nicht sollst du mich befragen, beides in einem, Gebot und Gesang, Schmelz überm Kruden …
    Der Sonnenritz sollte den Sonderschlummer nicht vertreiben.
    Die Augen zu und hinweg mit ungarem Sinnen – magyarisch nicht, nein, nein, mit Ungarn hast du nichts Gewisses am Hute, obwohl Budapest eine Ehre verdiente –, am besten ist schlafen, ich erwache ungern, das Verlangen nach Alleinsein zielt wohl auf die Ruhe im Grabe. Rimini? Nein. Nie gewesen. Versäumt. Für alle Zeit. – Husch hinein ins Dunkelkuscheln, alter Knabenmann, alles Kindserwachen unwiederbringlich, junges Blut schafft junge Tage, forsch heraus aus dem Bettkasten und der Mutter in die Arme. Sie wischte den Schlaf aus den Augen, des Sandmanns warmfeuchtes Geriesel, so ehedem, gab mit Lächeln einen Kuß und verwies zum Waschtisch. Hopp, allez! Glockenschlag von Sankt Marien. Er mag im Kosmos irgendwo noch hallen, aus alter Zeit, losgelöst schon längst von dieser Erde.
    Sentimental im Dunkel durfte jeder sein. Laßt die Gestalten, die Gefährten alle noch einmal tanzen, und reicht euch die unsichtbaren Hände. Mit Tränen, ja. Des Abschieds, nach kurzem Traum.
    Morpheus kömmt. Aller Spuk hinweg. Schleierwelten.
    Doch schon zu wach. Das Keilkissen drückt.
    Sonne, meine Feindin. Der Strahl zwischen Tuch mit lichthemmender Beschichtung, eine Gummisorte gar, schneidet quer durchs Fremdgelaß, die Wandererkemenate, und quer übers Plumeau, matt bleu gestreift, falls es kein Augentrug. Und schon des Tages Pein, ein leises Rasseln im Brustgeäst, ein Weh im Schlund, im Ohre Nässen, im linken Kiefer ein Gefühl, ein unerwünschtes Pöcheln, das nicht zu Pochen und Entzündung werden möchte. Gefühle will man nicht im Oberleib, Organe sollten ruhige Stätten sein. Des fahlen Altfleisches Zier sind pedikürter Zeh und gepflegte Fingerkuppen. Das nennt sich Ausverkauf von einstigem Bestand. Dem

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