Königsallee: Roman (German Edition)
Nimbus mit üppig Schwedenkronen, den verlieh der hohe Rat mir erst Anno ’29 noch für die Buddenbrooks, als hätt’s den Zauberberg nicht gegeben! Müssen sich sputen, wenn sie mich abermals zur Kürung vorladen wollen. War leicht gallig bei meinem Dankeswort vor dem König und seiner Akademie; Hauptmann – wie kann man Hauptmann heißen, wenn’s den reinen Mann gibt! –, Gerhart, fürwahr ein Naturalistenname, hätte sich im proletarischen Schulterschluß ja gleich Heinz nennen können, Heinz Webermann – er, der Getösemann, der Bedeutendes in seiner Jugend schrieb, ja, ja, ein Theaterrevolutionär, ihm dankt das Publikum einen klaren Ton auf deutschen Bühnen, den Blick ins tief Sociale, Geschundene, Ausgebeutete – er nun, der in seinem späten langen Stumpfsinn sich noch von der braunen Macht umgarnen, feiern ließ – Hauptmann, Deutschlands Star, wo bist du hin? –, er empfing mit geschwellter Brust und irgendeinem Dankgeschwafel … vielleicht: Aus Schlesien trag’ ich die Flamme der Wahrheit ins deutsche Reich, wohlauf, singet, windet die Kränze der Kultur …, dieser Schwadroneur und Peeperkorn empfing schon, zack, gleich, früh, im Zwölferjahr mit gerade achtundvierzig den Ritterschlag Nobels. Ich mußte fast fünfundfünfzig werden. Aber nun: erst kommt bündig Mann, dann Hauptmann, so mag’s bleiben. Doch Zukunft deutet, wertet wieder manches um … Beängstigend. Und wie er protzte! Naiv gewiß, doch mit grande allure, Popanzereien, unsereiner kam bei allem Ruhm nicht mit: Frackzwang bei Hauptmanns bei jedem Abendessen bis in den Tod des Nazireichs, Haus auf Hiddensee, Villa in den Bergen Schlesiens, nur die pompösesten Suiten in Sorrent, Rapallo, im Kaiserhof zu Berlin, das blöde Weib im Schlepptau, Privatsekretär dazu und Kammermädchen, ja, der Naturalistendichter wußte Hof zu halten, dagegen lebte unsereiner hübsch begrenzt und tüftelte überm Wort, während er sich aufblies.
Genug. Ruhe sanft, Kollege. Sei Hauptmann meinetwegen, wirst im Innern auch deine verschlungenen Pfade gegangen sein. Waren vereint im Wort für die Menschen … was ganz so klingt, als hättest du’s im Burgunderrausch gelallt. Lieber viele Dichter als zu wenige. Wenn auch manche stets verquer im Magen liegen. Ein Volk, das reimt, tötet nicht. Hätte man gemeint. Hauptmann, Salute, mit mir lebst du noch authentisch fort. Die Weber, Chapeau, Der Biberpelz, Und Pippa tanzt macht dir keiner nach, mutwilliger Jüngling, stante pede kühner als ich; aber mußtest du in deiner späten Fahrigkeit die Hand zum Hitlergruße heben? Wir hörten’s in Kalifornien. Dein Trauertext über den Untergang Dresdens, das war noch einmal groß und tief und erschütterte mich; du warst schon altersschwach dorten, überlebtest, aber Splitter von Dresdens zerborstnen Fenstern, die steckten im Rock, du blutetest, warst im Land geblieben – wie konntest du, betuchter Hauptmann – und sahst gelähmt die Ernte, Untergang.
Ich gedenke deiner, Löwenhaupt, scheinbarer Goethewiedergänger, Genie, dann umgeknickte Säule. Hielten ja auch Festreden für einander, gleisnerisch als Konkurrenten. Wer schürft tiefer, sagt das Wichtigere?
Repräsentanten waren wir, des deutschen Geistes. Gibt’s noch Stellvertreter für das Denken? Oder nur noch Künstlerdekorum der neuen mächtigen Zeit, die sich in ihrem Kraftmechanismus selbst genügt? Künstler jetzt wie Flitter für das Amorphe aus neuem Wohlstand, Fortbewegung und die Reibereien der wirtschaftlichen Mächte?
Bin der späteste. Habe mich wahrscheinlich selbst schon überlebt. Doch ich bleibe, energisch schon aus Pflicht. Keine Reise war je Müßiggang. Nulla dies sine linea, meistens sogar eine Seite. In jeglichem Hotel wurde das Schreibzeug ausgepackt, Konzentration geübt und fürs Ohr der Kulturwollenden zu Papier gebracht: Das Ideal der Sittlichkeit hat keinen gefährlicheren Nebenbuhler als das Ideal der höchsten Stärke … die brennende Rede in Berlin vor Pöblern und Ruhestörern … die unumgängliche bittere Botschaft über den Äther ins Verbrecherreich.
Ich spielte vorm Kontor des Vaters. Ich saß an Schreibtischen. Ich ehedem verschnupfter Sitzenbleiber sprach leibhaftig in den Mörder-Mob hinein, Berlin, unfaßlicher Lebenslauf, nein, feige war ich nicht, habe mich laut auf die Seite des Rechts gestellt – wer wagt es da, mich einen Décadent und spielerisch zu nennen? Den Tod in Venedig jubelte ich ihnen unter, die glühendste Lüsternheit inmitten einer Welt
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