Königsallee: Roman (German Edition)
von Stechschritt, Untertänigkeit und Spießertum. Lange her, aber mutig! Aschenbach, laset ihr, sah dem Liebling noch einmal zu. Und plötzlich wandte Tadzio den Oberkörper, eine Hand an der Hüfte, in schöner Drehung, und blickte über die Schulter zum Ufer. Aschenbach aber war, als ob er ihm winke; als ob die Hand hinausdeute, voranschwebe ins Verheißungsvoll-Ungeheure. Und, wie so oft, machte er sich auf, ihm zu folgen. Minuten vergingen, bis man dem seitlich im Stuhle Hinabgesunkenen zu Hilfe eilte. Man brachte ihn auf sein Zimmer. Noch desselben Tages empfing eine respektvoll erschütterte Welt die Nachricht von seinem Tode.
Das reicht für die Ewigkeit.
Thomas Mann wischte sich eine Träne aus dem Auge.
Falls er schon tot war, war’s egal, er hatte den Übergang nicht bemerkt.
Sinfonia des Morgens, tour d’horizon matinale, die übliche, wenn auch etwas ausgiebiger heute und mit einem Fuder Gerhart Hauptmann, wohingegen kürzlich in Sils oder im neuen Kilchberghaus – dem letzten Domizil? – geradezu hörbar und stramm brustbewehrt die Agnes Meyer um die Matratze gespenstert war. Fest standen die Falten zwischen samtenen Brauen. Sie wollte nicht abseits wimmeln … Dear Friend, dies ist ein irrationaler Brief, denn ich habe eine irrationale Woche hinter mir … Schon auf trockene Post war schwer genug zu antworten… Dear Friend, Sie zu lieben, ist eine hohe Kunst, ein komplizierter Solo-Tanz … Er seufzte: Ich müßte verzweifeln, wenn ich wüßte, daß ich ohne Liebe sei. – Diese Frau war nicht so leicht auszuschalten, noch aus der Bahn zu werfen, war auch zur Buchmonstranz erhoben worden, heidnische Landpriesterin Thamar, fein und heikel, fest entschlossen, sich, koste es, was es wolle, mit Hilfe ihres Weibtums in die Geschichte einzuschalten, und da saß sie oft zu Füßen des Feierlichen und Geschichtenschweren, die eindringlichen Augen groß aufgeschlagen … Nun, gesessen hatte die erzdemokratische Meyer höher, in Cottage-Fauteuils. Daß nicht viele zu Geschichtstrabanten hatten werden wollen? Oder er hatte es nicht bemerkt. Lieber als Götzenpriesterin schräg ins Bleibende ragen, als ungenannt verbuddelt werden. Wenige hatten Empörung an den Tag gelegt und es dann geschluckt, sich à la Kolb, der rührigen Kollegin, romanesk porträtiert zu sehen: mit elegantem Schafsgesicht. Gut, dergleichen mochten Mann oder Frau nicht als erstes über sich wissen … Indes, die millionenschwere Mitinhaberin der Washington Post, Meyer, die gescheite Förderin des Guten, Wahren und Schönen und Alimentiererin während eines Jahrzehnts U. S. A., die tüchtige Schreiberin, die leider schon jede Romanzeile im voraus wissen, bekakeln und anhimmeln wollte – ließe sich dieser steinreich Schwatzmächtigen, Statue of Liberty, edelmütigen Nervensäge über eine dezente Mittlerstimme – Katia? Hermann Hesse? – nicht signalisieren, daß sie ihrem durch Bewunderung halb aufgefressenen Dichter zu dessen Achtzigstem, dem strapaziösen Jubeltag, so er denn im nächsten Juni hinieden noch zu erleben und zu betoasten wäre, Cour ohne Ende mit Delegationen des Kantons, der Parteileitung von Ost-Berlin samt der ostdeutschen Festgesamtausgabe, Wochenschau, Abgesandten der kulturellen Bundesministerien?… ließe sich der Meyer nicht deutlich machen, daß sie mir einen Smaragdring mit herrlichem Schliff des grünen Juwels zu meiner stärkenden Freude durchaus übersenden könnte? Eine Gabe, würdig einer Dollarfürstin und ihres deutschen Cervantes-Dostojewski … aber die alte Gönnerin residiert in Prachtbehausungen der Neuen Welt, ich bin ihr glückhaft fern gerückt, geradezu unerreichbar geworden, und womöglich wird’s bei der früheren Geistesbraut aus gewisser Beleidigtheit und Schnödigkeit, und weil sie’s baldigen Erben nicht ins Maul stopfen will, nur noch zu einem flachen Silberring mit einem halbedlen Turmalin reichen. Nun gut, auch der sei erinnungsvoll angenommen und im häuslichen Bereich getragen. Mit Meyers Goldsegen haben wir in den schlimmen Fluchtzeiten, der Entwurzelung von vielen, so manche in ihrer blanken Not unterstützt und durchs Exil getragen: Ein Dach überm Kopf für verfemte Dichter, eine Monatssubvention für jüdische Schauspieler aus Berlin, die in den Universal Studios kaum stumme Nebenparts ergatterten, Spenden für die Fonds, durch die das geflohene Kunstdeutschland in den Zeitzonen Amerikas wenigstens Weihnachten feiern konnte. Auch Werfel selig, Feuchtwanger – weshalb
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