Königsallee: Roman (German Edition)
– Gleichfalls noch Excitation! Mäßige Prächte, mannbar; aber sehr gelegentlichst durchaus noch quellende Excitation. Der Franzl vom Hotel Dolder, der Tennisspieler von Davos, letzte Schönheit, die mein Auge und meine Seele füttert. Mit einem Wadenschemen, reich erfüllt, wirst du ins Grab sinken. Möge es so sein! Den Goethe ließ ich tatenklug erwachen – ja, den! Kein Kunststück. Goethe greinte nicht. Er war gleichsam rühriger Äther. Er war jünger, im Leben und im Buch. – Was ist Stoff? Stoff liegt auf der Straße. Nehmt ihn euch, Kinder. Wachstum. Solange man wächst und die Krone breitet, ist man jung. Ich harre, mich umkreist die Zeit. Ermanne dich zu fröhlichem Geschäft. – So erwachte Goethe. Der Gute, ja, jetzt sage ich einmal nachgeboren väterlich «der Gute» zu dem Olympier, wohl doch als Mit-Olympier, jawohl! Trugst die Welt in dir, Goethe, sogest wie die Biene aus den Kelchen von Persien bis Schottland, warfst deine Werke aus wie der Sämann sein Korn, ich aber, ich mußte von Anfang an noch ein ganzes Jahrhundert mehr schultern, schleppen, durchdringen und ausfiltern, dich selbst in deiner Fülle auch, die Welt war älter, voller, als ich erschien, war zergrübelt und explodiert in alle Richtungen, was Romantik hieß, mußte ich verdauen, nicht du; fuhrst ja noch nicht Eisenbahn; in meinen Kindertagen brauste und dampfte das Erdgesicht schon von Maschinen, Mechanik und Wissen nur noch für Spezialisten. Du rundetest noch, Geheimrat, sag’ ich kühn, das vielfältig Gegebene, davon sehr vieles ruhig; um unsereinen zischte das neue Labor, Kriegsgerät, Chemie, tausend Ismen der Künstlerwelt, die nach Halt und Wahrheit suchte. Civilisation, du Restbestand im Chaos. Civilisation, du mein Hort und Trachten. Nicht mehr, nicht weniger. Doch alles ist nichts ohne Taktgefühl, die Civilisation! Bei gehörig Taktgefühl mögen es die Tollsten am tollsten treiben, macht nichts, ist Freude, ist glühend Leben, aber bitte doch ohne des anderen Erniedrigung! Und wenn ich der letzte bin, der allerletzte, der Civilisation sagt und damit meint, daß man civil sei, voller Anmut am besten, aufmerksam, denn Aufmerksamkeit ist das Gebet der Seele, so sei’s, bin ich der letzte eben. Das Vermächtnis.
Dahin die mäßigen Prächte. Haben Gedanken also wieder einmal die Fleischeslust erledigt. Mißlichste Polarität. Tribut des Werks übers Schöne an das Schöne.
Ach, Klaus, deine Hand, der Schwung der Wangenknochen – der Kuß. Deine Augen, dunkel, tief wie Brunnenspiegel in der Wüste. Wie lange her. Umwickelt von tausend Bandagen und Wundverbänden der Zeit. Begraben bist du vielleicht wie viele. Solltest du aber leben, hier noch ein: Gott mit dir. Aus dem Bett im Irgendwo. Köln? Nein, Köln war gestern. Düsseldorf. Ah, daher. Hierher reiste ich an, um in deinem Dunstkreis mich zu bewegen, schon viel zu alt, viel zu berühmt, süße Schande. Mir wird’s noch peinlich. Mit den Schnattereltern plauschen, in ihnen den Sohn erspähen, lästerlich. Warst auch mal ein Don Quichotte der Liebe. Fürwahr nicht immer, Bürgervater. Don-Quichotterie, doch fast sogar spitzbübisch unlauter, sich in der Arcisstraße, bei den übermächtig lebhaften, den herrlich reichen Pringsheims einzudrängen, aufzudrängen, um das Prachtmädel, die Jünglingsschönste heimzuführen, mit ihrer Patentheit, ihrem geraden Sinn, die Kameradin, die Unersetzliche: Behagliches Vermögen floß der Tochter nach. Und es ließ sich Staat machen, heikler Staat zwar, doch ging’s bis jetzt gut; und bald klappt der Deckel zu. Gut Nacht! Das war’s! Da habt ihr Thomas Mann, sein Werk, seinen Stamm, und nun verdaut. Ich bin die famose Störung eurer stillosen Behäbigkeit, ich bin wissend und pikant. Mit undeutscher Grazie das Deutscheste. Tja, macht was draus! Edelsinn und Galanterie des Geists. Wer eine Familie hat, hatte, wie ich sie habe, wer solchen Circus erster Güte ohne Sturz vom Seile überstanden hat, der darf mir die Hand zum Bunde reichen. War nicht Hocken bei Suppe in der Küche, war Extravaganz in allen Formen, großes Tohuwabohu im Universum. Tode, eigenmächtige oder eigenschwache Tode, Fluchten, Beschimpfung und Vergötterung, Maskenfeste mit dem Zauberer, Emphasen, Spritzen voller Gift – ich hielt stand. Ich versorgte aus der Kunst der Feder alle. Ich bot dezent das Nest, und sie nannten mich: kühl. War an Weihnachten ein guter Familienvater. Kein Fest vorm Tannenbaum glich dem unsrigen. O du selige … Wohin ist
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