Königsjagd
Rasse. Der Führer hat nicht die geringste Absicht, sie zu vernichten. Sie könnten eine wichtige Rolle bei der Neuordnung Europas spielen. Der Führer ist überzeugt, daß die britische Regierung das jeden Moment einsehen und um Frieden nachsuchen wird. Die Briten haben schließlich kaum eine andere Wahl. Sie sind erledigt.«
»Zwischen ihnen und uns liegt immer noch der Kanal«, erklärte Schellenberg.
»Sehen Sie denn nicht, daß wir es gar nicht nötig haben werden, ihn zu überqueren? Und sobald der Friedensvertrag unterzeichnet ist, müssen wir uns um die Frage des Throns kümmern. Es wäre für alle Beteiligten besser, wenn er von einem Mann bestiegen würde, der von seinem Volk geliebt wird - und ein guter Freund Deutschlands ist.« Schellenberg konnte sich nur mit Mühe zurückhalten, laut loszulachen. »Meinen Sie das wirklich ernst, Herr Minister?«
Von Ribbentrop schien überrascht zu sein. »Aber natürlich. Ich habe hier die Abschrift einer Depesche, die der USBotschafter in Madrid am zweiten Juli an das State Department schickte. Darin steht, daß der Herzog bei einem Gespräch mit einem Angehörigen der amerikanischen Botschaft gesagt hat, jetzt komme es vor allem darauf an, den Krieg zu beenden, bevor weitere Tausende getötet oder verkrüppelt würden, nur um das Gesicht einiger weniger Politiker zu wahren.«
»Was ihn nicht unbedingt zu einem Nationalsozialisten macht«, bemerkte Schellenberg.
Von Ribbentrop ließ sich nicht aufhalten. »Der Herzog und seine Frau sind vor ein paar Tagen in Lissabon eingetroffen und wohnen in Estoril in der Villa eines portugiesischen Bankiers - Dr. Ricardo de Espirito Santo e Silva. Bei ihrer Ankunft lagen zwei britische Wasserflugzeuge bereit, sie nach England zurückzubringen. Der Herzog schickte sie fort. Weigerte sich zu fahren. Finden Sie das nicht interessant?«
»Gab er einen Grund an?«
»Nach unseren Informationen bestand er darauf, daß man ihm einen würdigen Posten anbietet und ihm die feste Zusage gibt, die Herzogin so zu behandeln, wie es ihr als seiner Frau zukomme.«
»Das klingt vernünftig«, sagte Schellenberg. »Bis jetzt haben sie in diesem Krieg nicht gerade den besten Gebrauch von seinen Talenten gemacht. Bekam er eine Antwort?«
»Churchill bietet ihm offenbar den Gouverneursposten auf den Bahamas an.«
»Sehr klug«, sagte Schellenberg. »Und praktisch. Fast viertausend Kilometer vom Kriegsschauplatz entfernt. Hat er angenommen?«
»Noch nicht. Er will offensichtlich Zeit gewinnen. Wir nehmen an, daß er wahrscheinlich viel lieber in Spanien oder vielleicht sogar in der Schweiz bleiben würde. Das paßt diesem Gangster Churchill und seiner Clique natürlich nicht in den Kram, und wir glauben, daß der Secret Service bald in Aktion treten könnte.«
»Inwiefern?«
»Oh, ich könnte mir vorstellen, daß sie als erstes versuchen, den Herzog auf ein Schiff Richtung Bahamas zu schaffen, ob er damit einverstanden ist oder nicht. Und an diesem Punkt sollen Sie eingreifen, Schellenberg. Der Führer glaubt, daß Sie sich am besten dazu eignen, in unserem Namen mit dem Herzog zu sprechen. Ihm jede Hilfe anzubieten, die er eventuell braucht. Zum Beispiel Geld, wenn das nötig sein sollte. Was auch geschieht, wir müssen ihm helfen, in das Land zu kommen, für das er sich entscheidet.«
»Selbst wenn es die Bahamas sein sollten?«
Von Ribbentrop warf ihm einen schnellen Blick zu. »Mein lieber Schellenberg, ich habe Ihnen schon mehr als einmal gesagt, daß Ihre Ironie einmal ein Nagel zu Ihrem Sarg werden könnte.«
»Ich bitte um Verzeihung, Herr Minister.«
»Nun weiter. Wenn der Herzog zögern sollte, sorgen Sie dafür, daß er die richtige Entscheidung trifft. Der Führer ermächtigt Sie dazu, alle Mittel anzuwenden, die Ihnen zu diesem Zweck angebracht erscheinen.«
»Auch Gewalt?«
»Notfalls ja. Sie müssen natürlich dafür sorgen, daß der Herzog und seine Frau nicht persönlich gefährdet werden. Ein kleiner Jagdausflug nach Spanien, mehr ist gar nicht nötig. Wenn Sie die beiden erst einmal über der Grenze haben, ergibt sich der Rest praktisch von selbst.« Schellenberg fragte etwas ungläubig: »Und das ist ein Befehl vom Führer persönlich?«
»Was denn sonst?« Von Ribbentrop reichte ihm einen Umschlag. »Darin finden Sie alles, was Sie brauchen. Uneingeschränkte Vollmachten. Ich kann Ihnen nur noch alles Gute wünschen - und Sie um Ihren todsicheren
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