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Königsjagd

Königsjagd

Titel: Königsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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konnte.

      Die größte Ironie lag indessen darin, daß Walter Schellenberg kein Nazi war. Heydrich, Himmler, sogar Hitler verließen sich mit der Zeit stillschweigend auf sein Urteil in Geheimdienstfragen, doch im Grunde identifizierte er sich nicht mit den Machthabern, hegte für sie ebensoviel Verachtung wie für sich selbst: ein neutraler Beobachter des tragischen Mummenschanzes.
      Der Regen prasselte ans Fenster, als er das Glas hob und seine Betrachtungen mit einem spöttischen Prost beendete.

    3

    Am Donnerstag kurz vor zwölf Uhr mittags arbeitete Schellenberg in seinem Büro in der Prinz-Albrecht-Straße, als das Telefon auf dem Schreibtisch klingelte. Er erkannte die Stimme des Anrufers sofort - von Ribbentrop, der Reichsaußenminister.
      »Schellenberg, sind Sie frei? Ich würde gern kurz mit Ihnen reden. Könnten Sie herüberkommen?«
      »Etwas Besonderes?« fragte Schellenberg. »Eine Sache von allergrößter Wichtigkeit.«
      Schellenberg rief danach sofort Heydrich an und informierte ihn, denn er wußte, wie ungehalten sein Chef werden konnte, wenn Außenstehende seine persönliche Autorität ignorierten, indem sie den Dienstweg umgingen und seine Mitarbeiter auf diese Weise einspannten. Diesmal war Heydrich allerdings neugierig und wies ihn an, zu Ribbentrop zu fahren -und ihm anschließend genauestens zu berichten.
      Von Ribbentrop empfing Schellenberg in seinem privaten Arbeitszimmer im Außenministerium.

      »Schön, daß Sie gleich gekommen sind. Setzen Sie sich, ich komme sofort zur Sache. Ich spreche übrigens im Namen des Führers persönlich mit Ihnen über diese Angelegenheit. Es versteht sich also von selbst, daß sie absolut geheimgehalten werden muß.«

    Schellenbergs Interesse erwachte sofort. »Ich verstehe.«
      »Haben Sie zufällig den Herzog von Windsor kennengelernt, als er neunzehnhundertsiebenunddreißig seine Deutschlandreise machte?«
    »Nein, ich hatte leider nicht das Vergnügen.«

      »Was ist Ihre persönliche Meinung über die Art und Weise, wie die Engländer die Krise bewältigen, die durch seine Abdankung entstand?«
    »Mir scheint, sie haben sich sehr vernünftig verhalten. Tradition und Verantwortung mußten alle persönlichen Emotionen zurückdrängen.« Schellenberg zuckte die Achseln. »Ich sehe wirklich nicht, daß die britische Regierung hätte anders handeln können.«
      Von Ribbentrop hatte offenbar nicht mit einer solchen Antwort gerechnet. »Ich sehe, daß Sie in dieser Angelegenheit völlig falsch informiert sind. In Wahrheit wurde der Herzog aus rein politischen Gründen zur Abdankung gedrängt. Sein soziales Bewußtsein war zu ausgeprägt, er war zu fest entschlossen, die dekadente englische Gesellschaft zu erneuern und fortschrittlicher zu machen. Damit sie den Bedürfnissen unserer Zeit genüge.«

      »Aha«, sagte Schellenberg trocken. »Hat er Ihnen das selbst gesagt?« Von Ribbentrop schien ihn nicht zu hören. »Er war sehr beeindruckt von allem, was er in Deutschland sah. Der Führer empfing ihn, wie Sie wissen, in Berchtesgaden. Sie unterhielten sich eine volle Stunde.« Er blieb am Fenster stehen. »Im Augenblick steckt der Führer mitten in der Planung vom Unternehmen Seelöwe. Sie wissen ja, die Invasion Englands. Deshalb hat er mich gebeten, diese wichtige Sache für ihn in die Hand zu nehmen.«
    »Ich verstehe.«

      »Wie Sie wissen, diente der Herzog als Generalmajor bei den alliierten Truppen in Frankreich. In dem Durcheinander nach unserem großen Sieg hat er es zusammen mit der Herzogin und einigen Freunden geschafft, die spanische Grenze zu überqueren. Die beiden haben sich bis vor kurzem in Madrid aufgehalten. Die spanische Haltung in der Sache geht übrigens sehr anschaulich aus einem Telegramm unseres dortigen Botschafters von Strobel hervor. Ich habe hier eine Abschrift.« Er reichte Schellenberg ein Blatt Papier, und dieser überflog es schnell:

    Der spanische Außenminister bittet um Rat bezüglich der Behandlung des Herzogs und der Herzogin von Windsor, die heute in Madrid eintreffen sollen, um, wie man allgemein annimmt, von hier aus über Lissabon nach England zurückzukehren. Die spanische Regierung glaubt, wir hätten unter Umständen ein Interesse daran, daß der Herzog in Madrid zurückgehalten wird, damit wir uns mit ihm in Verbindung setzen können.
      Schellenberg gab das Dokument zurück. »Das begreife ich nicht.«
      »Es ist ganz einfach. Die Engländer gehören zur germanischen

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