Königskind
Pairs, die Marschälle
und den Kardinal de Joyeuse. Dort wird viel und mit Glanz und Gloria geredet, aber ist man einmal zu einem Beschluß gelangt,
wird er nicht ausgeführt. Handlungstüchtiger ist nämlich der geheime Rat, den ich den
Kleinen Kanzleirat
|31| zu nennen beliebe. Er besteht aus einer Handvoll Leuten: den Graubärten, dem Prokurator Dolé, Advokat der Regentin, dem Pater
Cotton, der süßlicher und scheinheiliger ist denn je …«
»Ihr liebt die Jesuiten wohl nicht, Monsieur?« fragte La Surie mit Unschuldsmiene.
»Ich hätte nichts gegen die französischen Jesuiten«, sagte Pierre de L’Estoile, nachdem er abgewartet hatte, bis Mariette
den Raum verließ, »wenn sie loyale Untertanen der französischen Krone wären. Doch leider sind sie gänzlich dem Papst und dem
König von Spanien ergeben und zu Diensten. Im übrigen gefällt es mir wenig, daß der Pater Cotton unseren kleinen König über
eine Stunde zur Beichte nötigt … Bei Henri dauerte das keine fünf Minuten. Ich schließe daraus, daß dieser Cotton Ludwigs
Kindlichkeit ausnutzt, um ihn einzuwickeln und ihm die Würmer aus der Nase zu ziehen.«
»Gott sei Dank vergeudet er seine Zeit«, sagte mein Vater. »Gutes Blut verleugnet sich nicht. Für mein Empfinden ist Ludwig
bereits so antispanisch wie nur möglich. Und wo er nicht vertraut, verschließt er sich ohnehin wie eine Auster. Doch fahrt
bitte fort, mein Freund.«
»Wo war ich stehengeblieben?«
»Bei der Zusammensetzung des Kleinen Kanzleirats.«
»Ich wiederhole: die Graubärte, Dolé, Pater Cotton, dazu kommen der päpstliche Nuntius, der spanische Gesandte …«
»Wie!« rief mein Vater außer sich, »der päpstliche Nuntius! Der spanische Gesandte! Ausländer sitzen in dem Rat, der Frankreich
regiert! Oh, armes, unglückliches, schon unterworfenes Land! Und armer Henri, dem die Reichsinteressen so sehr am Herzen lagen!
Ach, daß er nicht aus seinem Grab steigen und diesem Verrat ein Ende setzen kann!«
»Ich habe noch nicht geendet«, sagte L’Estoile. »Das Schlimmste kommt noch. In diesem Kleinen Kanzleirat sitzen außerdem Leonora
Galigai und Concino Concini …«
»Leonora und Concini!« rief mein Vater. »Wahrhaftig, ich ersticke! Mir fehlen die Worte! Eine hergelaufene Bettlerin! Ein
schiefäugiger Glücksritter! Und die Beschlüsse dieses Schandrates haben Gesetzeskraft!«
»Nicht immer. Denn nach jeder Sitzung berät sich die Königin noch mit Dolé, Leonora und Concini und ändert die |32| soeben gefaßten Beschlüsse manchmal nach deren Ansichten. Was die Graubärte wütend macht, aber sie getrauen sich nicht, sich
laut zu beklagen.«
»Warum treten sie dann nicht zurück?« rief La Surie, »an statt klein beizugeben! Sie müssen doch einsehen, daß sie keine Minister mehr sind, sondern Knechte … Und daß letzten Endes jene
drei Favoriten regieren.«
»Drei sind es gar nicht«, sagte L’Estoile, indem er die Hand erhob. »Der Advokat Dolé zählt nicht. Er dient nur dazu, der
Ungesetzlichkeit einen gesetzlichen Anschein zu geben. Concini allerdings zählt, aber mehr als Schild und Gatte Leonoras.
Die wahre, die einzige Favoritin ist sie, weil sie eine grenzenlose Macht hat über den Geist der …«
Da Mariette hereinkam, unterbrach sich L’Estoile und sagte: »…
istius mulieris
, der man sie, als sie noch in den Windeln lag, als Spielgefährtin gegeben hat. Sie war die Tochter ihrer Amme. Weshalb manche
meinen, sie genieße so große Glaubwürdigkeit bei, bei …«
»Besagter Person«, soufflierte mein Vater.
»Weil beide an denselben Zitzen gesogen und dieselbe Milch getrunken haben.«
»Unsinn, Aberglauben!« sagte mein Vater.
»Ja ja, mein Freund«, sagte L’Estoile, »ganz recht, es ist ein Witz! Der wahre Grund ist, daß diese Person niederen Ursprungs,
zum Fürchten häßlich, krumm, ein Nervenbündel mit einem bizarren Antlitz wie ein Mann und mit glutspeienden Augen – daß diese
Hexe, kurzum, sehr viel Verstand hat, und besagte Person nicht.«
Er legte eine Pause ein, bis Mariette die Tür hinter sich schloß.
»Als man den immensen Einfluß bemerkte, den sie auf das fünf Jahre jüngere Mädchen nahm, hätte man sie schon in Florenz sofort
von ihr trennen müssen. Aber in Anbetracht des Starrsinns der Maria von Medici meinte der Großherzog der Toskana, seine Nichte
vermittels der Leonora leichter lenken zu können. Leider hat das beide noch mehr aneinander gebunden. Unser Henri beging
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