Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
Vom Netzwerk:
zweifellos
     weil ihr Ehrgeiz so gering und ihr Appetit so maßlos ist. Sie drohen der Königin nunmehr, sich vom Hof zurückzuziehen und
     Truppen gegen sie zu führen, wenn sie nicht ebenso beschenkt werden wie die Florentiner … Und die Regentin wird nachgeben!
     Die ewig feigen Graubärte drängen |35| sie dazu, und das Loch im Schatz wird noch größer werden.«
    »Und die zweite Folge?« fragte mein Vater, da L’Estoile schwieg.
    »Ich wage sie kaum zu nennen, mein Freund. Das Volk, das schnell mit Unterstellungen zur Hand ist, besonders, wenn sie unverschämt
     sind, ist überzeugt, daß Concini der Liebhaber der Königin ist.«
    »Was er sicher nicht ist«, sagte mein Vater.
    »Ich glaube es auch nicht, aber um sich Kredit am Hofe zu schaffen, tut Concini selbst alles, es glauben zu machen. Ein Edelmann
     bestätigte mir, er habe gesehen, wie er das Gemach der Königin verließ, wo er mit ihr allein gewesen war, und ostentativ an
     seinem Hosenbund nestelte.«
    »Ist das die Möglichkeit!« rief La Surie zornentbrannt. »Fin det sich denn niemand, der diesem Lumpen seinen Degen in den Leib rennt?«
    »Dazu käme derjenige gar nicht«, sagte mein Vater, indem er seine Hand auf die Hand La Suries legte. »Wie ich höre, bewegt
     sich Concini nur noch unter scharfer Bewachung.«
    * * *
    In der Nacht nach diesem Gespräch schlief ich wenig, so gering schienen mir die Aussichten, daß meine Gräfin nach Paris zurückkehren
     könnte. Wie sollte eine Regentin, die in ihrem engsten Rat einen Jesuitenpater, einen päpstlichen Nuntius und den spanischen
     Gesandten sitzen hatte, zulassen, daß eine Kalvinistin, die dem Kurfürsten so nahe stand, auf ihrem Gebiet lebte?
    Als mein Vater mich morgens beim Frühstück mit niedergeschlagener Miene sah und mich nach dem Grund fragte, indem er mir den
     Arm um die Schultern legte und mich an sich zog, schmolz ich vor soviel Güte und gestand ihm, weshalb ich so mutlos war.
    »Ach, denkt nicht so!« sagte er. »Das ist noch nicht ausgemacht! So einfach liegen die Dinge nicht. Die Regentin hat den Protestanten
     in Frankreich soeben erst zugesichert, daß sie das Edikt von Nantes nicht widerrufen wird.«
    »Wie das?« fragte ich staunend. »Ist sie plötzlich tolerant geworden?«
    |36| »Nicht im mindesten. Aber die Hugenotten sind eine Macht in diesem Land. Mit all den Städten, die sie beherrschen, bilden
     sie einen Staat im Staate. Und würde die Regentin ihre Privilegien antasten, liefe sie Gefahr, daß jene sich mit den Großen
     verbünden, die ihr ohnehin schon genug Kopfschmerzen bereiten. Allerdings«, fuhr er nach einer Weile fort, »folgt in der Politik
     der Regentin nichts einer bestimmten Logik. Sie kann die französischen Protestanten schonen und gleichzeitig die deutschen
     Lutheraner vor den Kopf stoßen. Man müßte den Fall unserer Freundin bei ihr vertreten können. Aber wie?«
    Leuchtete mir nach diesem Gespräch auch noch keine Hoffnung, war ich doch nicht mehr so verzweifelt. Und von einem Extrem
     zum anderen wechselnd, wie es meinem Alter entsprach, fühlte ich mich auf einmal so lustig und vergnügt wie die Spatzen, die
     ich durchs Fenster auf dem Hofpflaster hüpfen sah. Wie sorglos sie waren! Und wie sicher Spatzen und Spätzinnen schienen,
     daß sie sich schon finden würden!
    Da ging die Hoftür, und ich sah unsere Mariette vom Markt kommen, wie immer von unseren Soldaten und zwei hochvollen Körben
     an ihren drallen Hüften flankiert.
    »Möschjöh le Chevalier!« rief sie. »Ist Möschjöh le Marquis bei Euch in der Bibliothek?«
    »Er ist hier, Mariette! Was willst du?«
    »Ihn sprechen, Möschjöh le Chevalier. Ich hab die Backen voll von einer großen Neuigkeit, die er wissen muß.«
    »Sicher ein neues Wunder«, sagte mein Vater. »Soll sie heraufkommen. Anlässe zur Erheiterung sind selten geworden in diesen
     Zeiten.«
    Ich hatte das Fenster kaum geschlossen, als Mariettes mächtiger Busen ihr voran auch schon in die Bibliothek stürmte, wo mein
     Vater sich am Kamin wärmte, denn es war kalt für Ende September.
    »Möschjöh le Marquis, Möschjöh le Marquis«, sagte Mariette mit dramatischem Gebaren, »wißt Ihr schon, daß die Regentin den
     Concini zum Marquis von Ancre gemacht hat?«
    »Ich weiß es«, sagte mein Vater.
    »Für über eine Million Livres!«
    »Oh«, sagte mein Vater mit einem Blick zu mir, »die Summe ist seit gestern aber gewachsen!«
    »Und wißt Ihr auch, Möschjöh le Marquis«, fuhr Mariette |37| mit einem

Weitere Kostenlose Bücher