Königskind
am
Anfang den gleichen Irrtum. Auch er benutzte diesen an sich so verderblichen Einfluß, um den Frieden in seiner Ehe wieder
herzustellen, als seine Liebschaft mit der Verneuil die Königin so erboste. Aber schließlich erkannte |33| er denn doch, daß diese Leonora ihm genauso schadete, wie sie ihm diente.«
»Woran leidet sie?« fragte mein Vater, bei dem der Arzt immer wieder durchbrach.
»An allem, Kopf, Magen, Bauch, Beine. Vor allem sind es aber die Nerven. Manchmal finden ihre Kammerfrauen sie starr in einen
Lehnstuhl gestreckt, außerstande zu sprechen oder sich zu rühren und an allen Gliedern zitternd. Sie schläft wenig, ißt kaum
und sieht außer der Königin niemand.«
»Wie ich hörte«, sagte La Surie, »wohnt sie im Louvre.«
»So ist es«, sagte L’Estoile, »in einer kleinen Wohnung über den Gemächern der Königin, mit welchen sie eine Wendeltreppe
verbindet. Und jeden Abend nach dem Nachtmahl steigt das schwarze Weib wie eine große Spinne zu Maria hinab und webt ihre
Netze um die Königin, bis die Unglückliche ganz eingesponnen ist und tut, was jene beschließt und will.«
»Und was will sie?«
»Gold. Kann sein, daß Concino Concini nach Macht strebt und daß sein Ehrgeiz unbegrenzt ist. Aber bei Leonora ist die Sache
klar. Ihre Leidenschaft ist allein das Gold! Sie ist von einer krankhaften Habsucht besessen, die geradezu ungeheuerlich ist.«
»Und erreicht sie ihr Ziel?«
»Schon zu Lebzeiten des Königs lockte sie der Königin beträchtliche Summen ab. Doch nun, nach Henris Tod, fühlt Maria sich
nicht mehr von einer straffen Hand gezügelt und greift mit vollen Händen in den königlichen Schatz, um ihre Favoritin mit
Reichtümern zu überhäufen. Wollt Ihr ein Beispiel? Die Königin hat Leonora soeben dreihunderttausend Livres geschenkt, damit
sie sich die Markgrafschaft von Ancre kaufen konnte, und diesen Titel hat sie nun inne.«
»Eine Person aus dem Nichts und Marquise von Ancre!« rief der Chevalier de La Surie, der auf seinen Adelstitel um so mehr
hielt, als er ihn sich durch Tapferkeit im Dienst des Königs erworben hatte.
»Damit ist auch Concini Marquis!« sagte L’Estoile. »Aber ich fürchte, dabei bleibt es nicht, denn das Marquisat gehört ja
Leonora. Und sie haben unter Maßgabe der Gütertrennung geheiratet. Dafür hat Concini aber von der Königin hundertzwanzigtausend
Livres erhalten, um Monsieur de Créqui die |34| Generalleutnantschaft von Péronne, Montdidier und Roye abzukaufen, und zweihunderttausend Livres für das Amt des Ersten Kammerherrn
von Monsieur de Bouillon. Knapp vier Monate nach dem Tod des Königs hat dieses unheilvolle Pärchen den Staatsschatz bereits
sechshundertfünfzigtausend Livres gekostet!«
Seit Henri ermordet war, hatten mein Vater und ich sehr zurückgezogen gelebt, weil wir in unserem tiefen Schmerz wie versunken
waren, und obwohl wir das eine oder andere über die Dinge bei Hofe gehört hatten, war uns die Wahrheit noch nie mit solcher
Kraßheit und mit exakten Zahlen dargestellt worden. Was Concini anlangt, so hatte ich ihn zweimal im Leben gesehen: das erstemal
auf dem Ball von Madame de Guise, wo der freche Schönling sich mit äußerster Schamlosigkeit selbst eingeladen hatte, indem
er sich zum Gefolge der Königin gehörig erklärte, während diese noch gar nicht eingetroffen war. Das zweitemal sah ich ihn
während eines Ringelspiels. Ich unterhielt mich mit Mademoiselle de Fonlebon inmitten des summenden Schwarms der Ehrenjungfern,
wurde aber von ihrem reizenden Geplauder abgelenkt durch die unerhörte Verwegenheit dieses Abenteurers, der es wagte, zur
Rechten Ihrer Majestät Platz zu nehmen und, was das Tollste war, vor den Augen des ganzen Hofes lange in ihr Ohr zu sprechen.
Und dieser Gauner, der in Florenz so oft gefangensaß oder von dort verbannt worden war wegen seiner Missetaten und seiner
Schulden, war nun in Frankreich Marquis von Ancre! Er trug den Namen und Titel eines altehrwürdigen Adelsgeschlechtes und
schmückte sich mit dessen Wappen, er, den nie ein Mensch mit einem Degen in der Hand sah! Schlimmer noch, als Marquis von
Ancre würde er sogar zur Salbung des kleinen Königs eingeladen werden.
»Der Regen von Gunst und Reichtümern auf diesen niedrigen Strolch«, fuhr L’Estoile fort, »hat zwei gleichermaßen böse Folgen
gezeitigt. Er hat die wütende Eifersucht der Prinzen und Herzöge erweckt – jener Herren, die man die Großen nennt,
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