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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Glitzern in den schwarzen Augen fort, »was man deswegen für ein Spottlied auf die Königin und ihren Marquis von
     Anker singt?«
    »So! Und wie geht das Lied?« fragte mein Vater mit kühler Miene.
    »Hört nur«, sagte Mariette mit wollüstigen Lippen und geschwelltem Busen:
    Hat die Königin
    ’nen Furz im Bauch,
    sitzt er feste drin
    wie’n Anker auch.
    Mein Vater hütete sich, zu lächeln, was auch mich zu Marmor erstarren ließ, so gerne ich auch gelacht hätte.
    »Mariette«, sagte mein Vater ernst, »dieses Lied ist schmutzig, aufwieglerisch und an sich schon eine Majestätsbeleidigung.
     Sollte ich hören, daß du es in diesem Hause oder auf unserer Gasse verbreitest, um deine Gevatterinnen zu erbauen, würde ich
     dich den Richtern überliefern müssen, damit sie dich hängen.«
    »Möschjöh le Marquis! Möschjöh le Marquis! Aber dasch war doch nicht als Beleidigung gemeint«, wimmerte Mariette. »Ich hab’s
     Euch blosch gesungen, damit Ihr esch kennt.«
    Und unter Reverenzen verließ sie rückwärts den Raum, weniger erschrocken über die Drohung meines Vaters als höchlich vergrätzt,
     daß sie die saftigen Verse vor unserem übrigen Gesinde nicht zum besten geben durfte.
    »Ja, so sind die Franzosen!« sagte mein Vater, als sie fort war. »Mit allem treiben sie ihren Spott, sogar mit ihrer Drangsal.«
    Da mein Vater hierauf nachdenklich verharrte, fragte ich ihn: »Könnte an dieser angeblichen Liebschaft nicht doch etwas Wahres
     sein?«
    »Aber nein«, sagte er mit einer leichten Handbewegung. »Eure Patin, die ja die Regentin sehr gut kennt, ist sich ihrer Tugend
     sicher. Wobei, sagt sie, Tugend und Empfindungslosigkeit oft auf das gleiche herauslaufen. Ihr seht, mein Sohn, eine Frau
     wird von niemand treffender beurteilt als von ihren Freundinnen.«
    Nach einer Weile setzte er hinzu: »Im übrigen wäre die Entrüstung nicht so groß, wenn die Regentin einen der Großen |38| zu ihrem Günstling gemacht hätte, beispielsweise den Herzog von Épernon.«
    »Wäre er dazu nicht zu alt?«
    »Oh! Seit dem Tod des Königs hat er sich um zehn Jahre verjüngt, er trägt den Kopf genauso hoch wie sein Roß! Nein, mein Sohn,
     der Skandal ist die Wahl dieses Favoriten. So große Begünstigungen für einen niedriggeborenen Schuft, der obendrein noch Ausländer
     ist, das entrüstet das Volk und fordert seinen Spott heraus. Das heißt ihm denn doch zu tief unter die königliche Würde herabsinken.«

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    |39| ZWEITES KAPITEL
    Eines Tages zu Anfang Oktober beendeten wir eben unser Mittagsmahl, als Franz meldete, daß Toinon, meine einstige Soubrette,
     uns zu sprechen wünsche.
    »Ist sie immer noch so hübsch?« fragte mein Vater lächelnd.
    Die Frage brachte Franz in Verlegenheit, der sich schwer tat, eine andere Frau als seine Greta zu loben. Und weil er nicht
     wußte, was er sagen sollte, lief der Mann, sechs Fuß hoch und breit wie ein Schrank, rot an wie eine Jungfrau.
    »Darauf weiß ich Antwort«, sagte La Surie. »Gestern war ich in ihrer Bäckerei, ein Rosinenbrot kaufen, und ich kann Euch verraten:
     sie ist schön wie eine Madonna. Mérilhou, der wohl gerade nichts zu tun hatte, war im Laden und sah ihr beim Bedienen zu.
     Und ich dachte mir, wenn der Mann nicht gerade an seinem Knettrog oder seinem Ofen steht, verbringt er seine Zeit damit, seine
     Frau anzugaffen.«
    »Soll er nur achtgeben, daß keiner sie ihm wegschnappt«, sagte mein Vater.
    »Oh, das bestimmt nicht!« sagte La Surie. »Nicht alle Todsünden vertragen sich. Was Toinon betrifft, schützen Stolz und Geiz
     sie vor der Wollust.«
    »Das ist die pure Bosheit, Chevalier!« rief ich. »Ist es Stolz, wenn ein Weib, das sich für schön, tapfer und gescheit hält,
     dies alles auch ist? Und ist es Geiz, wenn man zu Wohlstand kommen will, wenn man ohne eine blanken Sou geboren wurde? Toinon
     weiß, was sie ist und was sie will, aber deshalb ist sie nicht herzlos. Ganz im Gegenteil.«
    »Wer wüßte dies besser als Ihr, schöner Neffe?« sagte La Surie mit einer kleinen, gezwungenen Grimasse. »Vergebt mir. Die
     Lust zu witzeln ist mit mir durchgegangen.«
    »Franz«, sagte mein Vater, der an diesem Tag zum Scherzen aufgelegt war und seinem Majordomus die Gelegenheit geben wollte,
     zu glänzen, »da du für solche Dinge ein Auge hast, sag uns, wie ist sie angezogen.«
    |40| »Beinah wie eine Standesperson, Herr Marquis.«
    »Beinahe?«
    »Sie hat eine Stielmaske in der Hand, mit der sie ihr Gesicht auf der Gasse

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