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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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gegen ihre Verschwendung enthielt.
    »Kürzer!« wiederholte sie, die Nase sehr hoch.
    »Ich bin gleich fertig, Madame«, sagte der Präsident der Rechnungskammer mit tiefer Verneigung. »Jeder weiß, daß der selige
     König durch zwei von der Rechnungskammer bestätigte Befehle ausdrücklich verboten hatte, seinem Schatz der Bastille auch nur
     einen Heller zu entheben, der nicht für dringliche Kriegszwecke bestimmt wäre, und keinesfalls ohne Bestätigung besagter Kammer.
     Immerhin, als im vergangenen Februar Seine Majestät der hier anwesende König verlangte, vom Schatz zwei Millionen fünfhunderttausend
     Livres zu beheben, hat die Kammer eingedenk der Notwendigkeit, die Rebellion der Großen zu bekämpfen, das königliche Ersuchen
     genehmigt, und sie tat es um so lieber, als der König versprach, die Summe bis Jahresende zurückzuerstatten. Gleichwohl wurde
     dieses Versprechen nicht gehalten!«
    Abermals konnte Ludwig nicht umhin, hier einige Erregung zu verraten. Ihm wurden so viele Dinge von seiner Mutter verheimlicht,
     daß er höchstwahrscheinlich weder von diesem Versprechen wußte, das doch in seinem Namen gegeben worden war, noch vom Bruch
     dieses Versprechens, den man ihm heute vorwarf.
    »Deshalb«, fuhr der Präsident der Rechnungskammer fort, »prüften wir genauer, als der König im Juni 1615 aufs neue um eine
     Behebung für die Kosten der spanischen Hochzeiten und der dazu erforderlichen Reisen ersuchte. Da es sich nicht um |318| Kriegsgründe handelte, meinte die Kammer, richtig zu entscheiden, indem sie ihre Zustimmung verweigerte und dies zu fünf Malen,
     entgegen allen Kanzleibefehlen, die sie erhielt. Die Rechnungskammer ist der Auffassung, daß die königlichen Finanzräte für
     solche Ausgaben von langer Hand hätten vorsorgen müssen und daß überhaupt ein jeglicher in seinem Haus sich aller überflüssigen
     Ausgaben enthalten sollte, die nur dem Luxus dienen, anstatt den Schatz der Bastille zu schmälern. Die Kammer bedauert es
     tief, daß man an diesen Schatz rührt, erklärt sich an dieser Unordnung unschuldig und versichert Ihre Majestäten ihrer respektvollen
     und liebreichen Ergebenheit.«
    Diese ›liebreiche Ergebenheit‹ sollte die bittere Pille der ›überflüssigen Ausgaben‹ vergolden, die nichts wie ›Luxus‹ und
     ›Unordnung‹ brachten. Aber die Königin schluckte alles ungerührt und hatte während der ganzen Rede nur Augen für die schwere,
     eisenverstärkte Tür, die den Zutritt zur Schatzkammer versperrte.
    »Monsieur de Vaussay«, sagte sie zum Gouverneur der Bastille, sowie der Präsident mit einer tiefen Reverenz verstummte, »der
     Erlaß des Königlichen Rates befiehlt, die Tür zu öffnen und unser Teil zu entnehmen.«
    »Madame«, sagte Monsieur de Vaussay, »wie Eurer Majestät bekannt ist, sind drei Schlüssel vonnöten, um die Tür aufzuschließen:
     der Eure, der von Herrn Präsident Jeannin, oberster Finanzrat, und der von Monsieur Phélippeaux, Schatzmeister der Krone.«
    Hierauf nun lief eine kleine Komödie ab, die mir sehr gut geprobt erschien und in der alle Repliken bestens einstudiert waren.
    »Hier ist der meine«, sagte die Königin, zog aus einer verborgenen Tasche ihres Reifrocks einen Schlüssel und hielt ihn Monsieur
     de Tresmes, ihrem Gardehauptmann, hin.
    »Ich weigere mich, den meinen herauszugeben«, sagte Präsident Jeannin.
    Doch wie sich dann zeigen sollte, hatte er ihn trotzdem dabei, was nicht gerade auf felsenfeste Entschlossenheit deutete.
    »Ich weigere mich auch«, sagte Monsieur Phélippeaux.
    »Warum?« fragte die Königin, die diese zwiefache Ablehnung |319| nicht im geringsten zu beunruhigen schien, obwohl sie die Brauen runzelte und voll Hoheit sprach.
    »Beliebe es Eurer Majestät«, sagte Monsieur Phélippeaux, »mir zu erlauben, daß ich für zwei antworte. Das Gesuch des Königs
     ist, entgegen fünf Kanzleibefehlen, durch die Rechnungskammer nicht bestätigt worden, so daß diese künftighin uns beide persönlich
     zur Verantwortung ziehen kann für unrechtmäßig entwendete Summen.«
    »Um Euch davor zu bewahren«, sagte die Königin, »werde ich Euch eine …«
    In dem Augenblick ließ ihr Gedächtnis sie im Stich, und sie wandte die Augen hilfeheischend zum Kanzler Sillery, der ihr sogleich
     halblaut soufflierte: »Entlastung.«
    »Werde ich Euch eine Entlastung von Eurer Verantwortung ausstellen, unterzeichnet von mir und meinen Ministern.«
    »Ist es also der ausdrückliche Befehl Eurer

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