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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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wahrscheinlich damit sich der Hof nicht frage, wie viele Nadelgelder seine Frau und er davon
     wohl kassieren werden.
    Als wir die Wendeltreppe im Turm hinabstiegen, schickte uns Monsieur de Vaussay einen Gardisten, der Ludwig bei der Besichtigung
     der Bastille zum Führer dienen sollte. Der Mann erfüllte seine Aufgabe bemerkenswert, als Gascogner war er nicht auf den Mund
     gefallen und in der Festung wie zu Hause. Und wäre es Ludwig wohl gewesen in seiner Haut, hätte er bei seiner Begeisterung
     für alles Militärische dem Cicerone gewiß eine Menge Fragen gestellt, doch er hörte ihm nur mit halbem Ohr zu, sagte kein
     Sterbenswort, und sein Gesicht blieb bedrückt und verschlossen.
    Mit gutem Grund, denn dieser Tag war von einer Ironie der Geschichte geprägt, deren Grausamkeit ihm nicht entgehen konnte:
     Jahr um Jahr hatte sein Vater diesen Schatz in der Bastille angesammelt, um eines Tages mit Waffengewalt die vielarmige Umklammerung
     des Hauses Österreich rings um Frankreichs Grenzen zu sprengen. Und dieser Schatz – Schild und Lanze seines Königtums – wurde
     kaum sechs Jahre nach seinem Tod Stück für Stück angegriffen, angegriffen durch die |322| Großnichte Karls V. und verschleudert. Die Habsburger, die es nie geschafft hatten, unseren Henri zu seinen Lebzeiten zu besiegen,
     triumphierten schließlich doch über ihn nach seinem Tod. Und vollbracht wurde das Heldenstück von der Hand einer Frau.

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    |323| ZWÖLFTES KAPITEL
    Wer die Königin thronen sah, groß, majestätisch, die Stirn hoffärtig erhoben, Dünkel auf der vorstehenden Unterlippe, ihrem
     Habsburger Erbteil, wer hörte, wie sie in italienisch durchsetztem Französisch eine gebieterische Sprache führte, konnte der
     sie nicht für eine der starken Frauen halten, von denen das Evangelium spricht? In Wirklichkeit war niemand schwächer als
     diese so machtbesessene Königin.
    Je länger ich sie in ihrem Wirken beobachtete, desto mehr war ich überzeugt, daß ihre Schwäche sich aus zwei Quellen herleitete.
     Aus trägem und Nichtigkeiten zugewandten Naturell scheute sie jegliche Mühe, hatte nur Feste und Schmuck im Sinn und brachte
     für die Staatsgeschäfte geringe Aufmerksamkeit und noch weniger Verstand auf. Vor allem aber war ihre Urteilskraft arm und
     wirr. Der Vernunft unzugänglich, folglich auch den Gründen, die ihre Räte benannten, glaubte sie bald diesem, bald jenem,
     bald einem dritten, und allen drei nahezu blindlings. Und weil sie nie nach überlegten Grundsätzen verfuhr und sich in ihrem
     dummen Hochmut gefiel, verhielt sie sich in ihrer Politik abwechselnd starrköpfig und schwankend. Und weil sie beides jeweils
     zur Unzeit war, verlor sie doppelt: sie versteifte sich, wo es galt, geschmeidig zu sein, und änderte ihre Ziele, wo eine
     feste Haltung notwendig war.
    Gewiß sprach die Concini zu allem ihr Wort, mehr übrigens als ihr Mann, doch fehlte viel, daß sie in Staatsangelegenheiten
     die Oberhand behielt. Sie mußte ihren Einfluß teilen mit der Herzogin von Guise, der Prinzessin Conti, dem Herzog von Épernon,
     mit Intendant Barbin, Präsident Jeannin und vor allem mit Minister Villeroy und Kanzler Sillery, die sogar stärker gehört
     worden wären, hätten sie einander aus gegenseitigem Haß nicht ständig widersprochen, so daß ihre Argumente erheblich an Kraft
     einbüßten.
    Der letzte, aber nicht etwa unwichtigste dieser Ratgeber, Pater Cotton, der als Beichtvater des kleinen Königs leichten |324| Zutritt bei der Königinmutter hatte, wirkte auf ihre fromme Seele durch sanftzüngige Überredung, und es besteht kein Zweifel,
     daß sein Einfluß, gestützt durch den apostolischen Nuntius und den spanischen Gesandten, beispielsweise entscheidend war beim
     Beschluß der spanischen Hochzeiten.
    Dieses Triumvirat trieb jetzt aus allen Kräften den Austausch der Prinzessinnen voran, obwohl soviel Druck nicht einmal nötig
     war, weil die Königin selbst leidenschaftlich darauf drängte. Was kümmerte sie die Verpflichtung, die unser Henri mit dem
     Vertrag von Brusol eingegangen war, Madame mit dem Sohn des Herzogs von Savoyen zu vermählen, und erst recht scherte es sie
     wenig, daß sie sich mit den spanischen Hochzeiten über die protestantischen Verbündeten ihres seligen Gemahls hinwegsetzte.
    Trotzdem gab es im Reich noch eine ziemlich starke Abneigung dagegen. Der Zeitpunkt war ungünstig gewählt. Die Generalstände
     hatten fruchtlos geendet. Alle Abgeordneten hatten die

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