Königskind
Mißbräuche aus der Welt schaffen wollen, aber, wie man sehen konnte,
wollte jeder der drei Stände den Splitter ziehen, den er im Auge des anderen sah, ohne daß an seinen eigenen Balken gerührt
werden durfte. Und kaum waren die Abgeordneten vergrollt und vergrätzt auseinander gegangen, veranstaltete Maria in ihrer
üblichen Leichtfertigkeit ein großes Fest, sehr schön und sehr kostspielig, um Madames lebenslanges Exil im voraus zu feiern.
»Meine Tochter muß vor ihrer Abreise nach Spanien doch ein öffentliches Fest geben«, sagte sie und schob diesen Einfall der
armen Elisabeth zu, »damit die Pariser sich einer Prinzessin erinnern, die Frankreich verläßt.« Bei diesem so frostigen und
heuchlerischen Satz aus ihrem Mund fragte ich mich, ob Elisabeths Mutter sich wohl lange der Tochter ›erinnern‹ würde, die
auf immer von ihr ging.
Die Krönung dieses berühmten Festes war das
Ballet de Madame,
getanzt von allem, was der Hof an Schönheiten beiderlei Geschlechts aufzubieten hatte. Es war mit mimischen Szenen, Symbolen
und Allegorien angereichert, welche die gegenwärtigen und zukünftigen Erfolge der Regentschaft feierten: des Königs glücklichen
Eintritt in die Großjährigkeit, die Einigkeit mit seinen versöhnten Prinzen, die friedlichen Generalstände, der künftige Sohn
aus der künftigen Verbindung Madames mit |325| dem Prinzen von Asturien (wie man sieht, kam eine Tochter nicht in Frage!), die Herrschaft Frankreichs über Länder und Meere
und damit ›der Untergang des Turbans‹, also die Vernichtung der muselmanischen Religion: eine um so optimistischere Prophezeiung,
als man seit dem Tod unseres Henri Quatre nur noch wenige Galeeren zur Bekämpfung der Berber gebaut hatte.
Dem Tanz folgten Verse, auftragsgemäß verfaßt von Malherbe, der von Maria eine Pension erhielt, und sie ergänzten jenes gefällige
Tableau um eine idyllische Prophezeiung:
Ein Jahrhundert ersteht, von Glück und Freuden erfüllt,
Der Bitternis bar – goldene Zeiten,
Selbst Schlangen bereiten
schadlosen Stich, oder sie stechen nicht mehr.
In Erwartung dieses gar köstlichen Eden ließ dennoch manch eine Schlange nicht ab, die Königinmutter zu stechen. Noch kein
Monat war vergangen, seit die Schönsten des Hofes das
Ballet de Madame
getanzt hatten, als das Parlament beim König Beschwerden einreichte, die unter durchsichtigen Umschreibungen aufs heftigste
Marias Regierung attackierten. Alles kam auf: daß der erste Artikel des Dritten Standes abgelehnt worden war, daß die protestantischen
Bündnisse aufgegeben wurden, daß Personen eine außergewöhnliche Stellung im Staat einnahmen, die keine ›gebürtigen Franzosen‹
waren, daß die Staatsräte Gelder veruntreuten, daß der französische Klerus geheime Absprachen mit dem Nuntius traf, und schließlich
daß der Schatz der Bastille geplündert worden war und vergeudet wurde.
Die Königin verbot dem Parlament kurzerhand, sich ›künf tig in Staatsangelegenheiten einzumischen‹. Aber das Gift schwärte in der Wunde, und Condé griff in einem Manifest die Vorwürfe
des Parlaments mit noch größerer Schärfe auf, betonte zusätzlich, daß die französischen Protestanten sehr beunruhigt seien
über eine so enge Verbindung Frankreichs mit den Habsburgern, daß sie darin die Vorzeichen einer Inquisition und Verfolgung
erblickten, denen sie erneut zum Opfer fallen könnten. Er verlangte, die spanischen Hochzeiten hinauszuschieben, er sagte
nicht: ›bis der König Herr seiner Entscheidungen sein werde‹, ließ es aber durchblicken.
|326| Der Ministerrat war gespalten. Kanzler Sillery drängte auf den Austausch der Prinzessinnen, Villeroy und Jeannin sprachen
sich für eine Verschiebung aus, unterstützt vom Marschall von Ancre, von diesem aber nicht aus staatspolitischen Gründen,
sondern aus eigennützigen Motiven, denn weil Condé und die Prinzen den Hof wieder einmal verlassen hatten und sich bewaffneten,
fürchtete Concini vor allem, daß zwischen der Königinmutter und den Großen ein offener Krieg ausbräche, und in dem Fall, dachte
er, könnte man Frieden auf seine Kosten schließen.
Die Königin war außer sich, daß der Mann ihrer Favoritin gegen die Hochzeiten Partei ergriff, die ihr so sehr am Herzen lagen.
Sie verbannte ihn in sein Gouvernement Amiens und grollte der Concini, die ihn trotzdem auf dieser Reise begleiten wollte,
überzeugt, daß sie ihren Kredit über kurz oder lang
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