Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
Vom Netzwerk:
Stellvertretung seines Hauptmanns
     Dienst tat, erhielt er also direkt aus Vitrys Mund den Befehl, an der Porte de Bourbon strenge Wacht zu halten, bis der Marschall
     von Ancre erscheinen würde, und besagtes Tor unmittelbar nach seinem Eintritt zu schließen, mochten die Draußengebliebenen
     auch noch so schimpfen.
    Dann begab sich Vitry in den Oberstock, in den großen Saal des Louvre, und befahl den Schweizern, die dort Ehrenwache hielten,
     zur Verstärkung ihrer Kameraden in den sogenannten Saal der Schweizer hinunterzuziehen. Hierauf ging er zu Monsieur de Fourilles,
     dem diensthabenden Hauptmann der französischen Gardekompanie, und gab ihm Anweisung, sich |451| auf der anderen Seite des Louvre, im Küchenhof, in Reserve und unter Waffen zu halten.
    Schließlich kam er zurück in den Wachraum und wartete, von der Tür aus immer den ›Schalter‹ im Auge, durch den Dubuisson,
     der wie zuvor unweit von Concinis Haus wachte, eintreffen und dessen Ankunft melden sollte.
    Wie wir später von Vitry erfuhren, hatte er sich frisch und munter gefühlt, solange er seine Instruktionen gab. Doch als er
     jetzt nur noch warten konnte, mal auf einer Truhe hockte, mal durch den Raum auf und ab schritt, mal vor der Tür stand und
     immer nach dem ›Schalter‹ starrte, verspürte er ein beschämendes Reißen im Bauch. Aber weil ihm einfiel, daß Henri Quatre,
     wie er von seinem Vater wußte, vor jeder siegreichen Schlacht von einem solchen Leibgrimmen erfaßt wurde, über das er sich
     weidlich selbst lustig machte, beruhigte sich Vitry damit, daß diese Plagen wohl auch ihm den Erfolg seiner Unternehmung verhießen.
    Um Schlag zehn Uhr wurde ihm gemeldet, daß Concini sein Haus verlassen habe. Vitry drückte seinen Hut in die Stirn, griff
     seinen Befehlsstab, trat aus dem Wachraum und gab den Verschworenen ein Zeichen, an seine Seite zu eilen. Während er mit großen
     Schritten zum ›Schalter‹ ging, hörte er erleichtert, wie im selben Moment die Flügel des großen Tores kreischten, die sich
     auf Corneillans Befehl hin schlossen. Concini war also in dieser Minute auf der ›schlafenden Brücke‹ und konnte nicht mehr
     zurück.
    Hier tauchte eine Schwierigkeit auf, die sogar Vitry nicht vorbedacht hatte: da das Kutschentor im gewölbten Torweg geschlossen
     war und nur der ›Schalter‹ offen blieb, mußten er und seine Gefährten durch den ›Schalter‹ und über das anschließende ›Brettchen‹
     gehen, um auf die ›schlafende Brücke‹ zu gelangen. Das heißt, sie mußten zur gleichen Zeit denselben Weg nehmen wie Concini
     und seine Leute, nur in umgekehrter Richtung. Doch weil ›Schalter‹ und ›Brettchen‹ so schmal waren, kamen zwei sich kreuzende
     Personen dort kaum aneinander vorbei.
    Hinzu kam noch etwas: Vitry war am Hof sehr bekannt und beliebt, und jeder, der ihm begegnete, wollte ihn begrüßen, umarmen
     und mit ihm schwatzen. Und allen schrie Vitry, um seine fiebrige Ungeduld zu verbergen, lauthals zu: »Euer Diener! |452| Euer Diener! Laßt mich vorbei! Laßt mich vorbei! Ich hab zu tun!« Und als er endlich auf die ›schlafende Brücke‹ kam, war
     er vor Zorn so blind, daß er an Concini vorüberlief, ohne ihn zu sehen.
    Allerdings hielt Concini den Kopf gesenkt, weil er in die Lektüre eines Bittschreibens vertieft war, und ging langsam am rechten
     Geländer der ›schlafenden Brücke‹ entlang. Der Verfasser dieses Briefes, Monsieur de Cauvigny, folgte ihm auf drei Schritt
     Abstand, und als Vitry Cauvigny fragte: »Wo ist der Marschall?«, zeigte der mit dem Finger auf ihn und sagte: »Da ist er doch!«
    Vitry schwenkte kehrtum, packte Concini jäh am linken Arm und schrie: »Im Namen des Königs, ich verhafte Euch!«
    »A me!«
rief Concini, indem er mit einem Satz ans Geländer zurückwich und nach seinem Degen griff.
    »Ja, Euch!« schrie Vitry, der nur darauf gewartet hatte, und während er Concini mit seiner Pranke gegen das Geländer drückte,
     gab er den Verschworenen das vereinbarte Zeichen.
    Fünf Pistolenschüsse hallten gleichzeitig. Concini sank ohne einen Schrei auf die Knie, aber nicht zu Boden, denn das Geländer
     stützte seinen Rücken. Weil diese Haltung ihm noch den Anschein von Leben gab, durchbohrten ihn die Verschworenen mit Dolch
     und Degen, während Vitry wie besessen schrie: »Im Namen des Königs!«, um Concinis Gefolge im Zaum zu halten, das aber zu verdattert
     war, um einzugreifen. Das eine Wort ›König‹ genügte, sie in Schrecken zu

Weitere Kostenlose Bücher