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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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sollte.
    Im Falle des Erfolgs würde er der Königinmutter kund und zu wissen tun, sie möge sich damit abfinden, daß er nun die |444| Regierung seines Staates antrete; und damit er Zeit hätte, in seinen Geschäften festen Fuß zu fassen, würde er Maria von Medici
     auffordern, Paris zu verlassen – bis er sie zurückriefe. Ludwigs Absicht hierbei war völlig klar. Gleichzeitig begeisterte
     sie mich durch ihre Hellsicht. Er wußte ganz genau, daß er niemals regieren konnte, solange seine Mutter im Louvre bleiben
     würde. Der Tod des Usurpators mußte also zwangsläufig den politischen Tod der schlechten Mutter nach sich ziehen. Für mein
     Gefühl war es nicht einmal sicher, daß er derzeit Lust hatte, sie eines Tages zurückzurufen.

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    |445| SECHZEHNTES KAPITEL
    Vier Tage vor dem für die Ausführung festgesetzten Datum trat etwas völlig Unerwartetes ein: Richelieus Schwager, Monsieur
     Pont de Courlay, suchte Monsieur de Luynes auf und teilte ihm vertraulich mit, Richelieu »sähe viele Dinge, die nicht seien,
     wie sie sein sollten, und die Seine Majestät nicht zufriedenstellen könnten. Wenn Seine Majestät geruhen wolle, ihn als einen
     seiner Minister zu betrachten,
gäbe es nichts, sei es in seinem Amt, sei es in anderen Angelegenheiten, die ihm zu Ohren kämen, worüber er ihm nicht eine
     getreue Einschätzung geben würde

    Dieses Ereignis stiftete in unserem geheimen Rat einige Verwirrung und wurde auf ganz entgegengesetzte Weise gedeutet. Die
     einen waren beunruhigt und fragten sich, ob Richelieu irgendwie Wind von unserem Komplott bekommen hatte. Die anderen, so
     Luynes, meinten, Richelieu hätte diese Initiative nicht ergriffen, wenn Concini jene mörderischen Pläne gegen den König hegen
     würde, die wir ihm unterstellten. Und wie nicht anders zu erwarten, folgerte Luynes daraus, daß man Concinis Festnahme verschieben
     sollte. Kaum hatte er ausgesprochen, rüffelte ihn Ludwig, bleich vor Zorn: an dem festgesetzten Datum werde nichts geändert.
     Ein Aufschub hieße, Vitrys Vertrauen in unsere Entschlossenheit zu erschüttern.
    Aus Richelieus eigenem Munde erfuhr ich später, daß er tatsächlich nichts wußte, weder was sich von Ludwigs Seite gegen Concini
     zusammenbraute noch was von Concinis Seite gegen den König. Es war einfach so, daß er damals Minister in halber Ungnade war,
     so gut wie abgedankt, von Concini übel behandelt, beleidigt und verleumdet; und da er die Tollheiten des Marschalls aus der
     Nähe beobachten konnte, sah er im übrigen schwarz für dessen Zukunft und hielt verzweifelt nach einem Strohhalm Ausschau,
     an den er sich klammern konnte, |446| denn auf dem Ast, auf dem er sich niedergelassen hatte, fühlte er sich inzwischen höchst unbehaglich; er konnte jede Minute
     abbrechen und ihn mit sich in die Tiefe reißen: was auch todsicher geschehen wäre, hätte er nicht im letzten Moment – und
     gewissermaßen blindlings – daran gedacht, dem König mit der Schnabelspitze diesen Ölzweig zu reichen. Das entschied sein Schicksal.
    Am neunzehnten April beauftragte Richelieu seinen Schwager, Luynes jene Botschaft zu überbringen. Noch vier Tage trennten
     uns von dem Datum, an dem Concini zur Strecke gebracht werden sollte. Nun war es seit dem ersten des Monats so, daß der Himmel
     von früh bis spät und von Abend bis Morgen nichts wie Regen schüttete, immer war er von unzähligen Wolken verdüstert, den
     ganzen Tag brach kein Sonnenstrahl durch. Es war geradezu, als grollte die Natur dem Menschengeschlecht und verhängte zur
     Strafe dieses erdrückende Halbdunkel eines Weltenendes, diese pestilenzialischen Nebeldünste über unsere armen Häupter und
     dieses unablässige Striemen und Prasseln ihrer Sintflut. Fast wären mir, glaube ich, Blitz, Hagel und Donner lieber gewesen
     als dieser ewige Regen, der endlos gegen Dächer und Scheiben trommelte und in uns sonderbare Ängste und Befürchtungen erregte.
    Wie ich vom jungen Berlinghen hörte – und er mußte es wissen, denn er war dann viel auf den Beinen –, schlief der König in
     diesen vier Nächten nicht, oder wenn er einschlummerte, erwachte er mit Schreien, sicherlich, weil er in seinem fiebrigen
     Kopf dieselben schrecklichen Gedanken wälzte. Weil er morgens »nicht wußte, was er Héroard sagen sollte«, wie er mir später
     anvertraute, gab er sich Mühe, froh und munter zu erscheinen, und Héroard verzeichnete sein »gutes Aussehen« denn auch gewissenhaft
     in seinem Tagebuch.

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