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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Ostern. Erlaubt, Monsieur, Euch in Euer Wams zu helfen. Seid Ihr nicht ein bißchen dicker geworden?«
    »Überhaupt nicht! Es ist reine Bosheit von dir, Miroul, mir das zu unterstellen.«
    »
Aber«, fragte La Surie weiter, »zu welchem der sieben Sakramente gehört die Salbung?«
    »Zu keinem. Sie ist nur für Könige. Durch sie beglaubigt die Kirche ihr göttliches Recht. Und bei dieser feierlichen Gelegenheit
     leisten die Pairs, geistliche wie weltliche, dem König den Huldigungs- und Treueeid.«
    »Wäre ich Bassompierre, würde ich wetten, daß nicht wenige der weltlichen Pairs diesen Eid in ihrem Herzen bereits gebrochen
     haben.«
    »Bei der Wette würde ich nicht dagegenhalten«, sagte mein Vater. »Worauf es also ankommt, ist das Religiöse, weil damit vorm
     Volk die Herrschergewalt begründet wird.«
    »Und wie lange dauert die Salbung?«
    »Wenn ich nach der von Henri Quatre urteile, volle fünf Stunden.«
    »Volle fünf Stunden!« sagte La Surie, dem die Zeit in Kirchen immer zu lang wurde. »Ist das nicht ein bißchen viel für ein
     neunjähriges Bürschchen? Hätte die Regentin damit nicht warten können, bis er größer ist?«
    »Die Regentin hat durch ihre Gunstbeweise für die Concinis und ihre nicht enden wollende Verschwendung den Thron ins Wanken
     gebracht und will sich hinter der Popularität ihres Sohnes verschanzen. Trotzdem hört sie nicht auf, zu sagen und sagen zu
     lassen, er sei zur Regierung unfähig.«
    »Wie kann man dermaßen in den Thron vernarrt sein?« fragte La Surie.
    Da mein Vater hierauf schwieg, ergriff ich das Wort.
    |63| »Für meine Begriffe ist sie zwar nicht in die Pflichten vernarrt, die der Thron mit sich bringt, wohl aber in die große Macht,
     die er verleiht: mit vollen Händen aus dem Staatsschatz zu schöpfen und das strikt gegen die von Henri aufgestellten Gebote;
     bei den Richtern zu intervenieren, um einen Schuldigen reinzuwaschen; und überhaupt Bräuche, Regeln und die Gesetze des Reiches
     zu verletzen.«
    »Spielt Ihr auf einen bestimmten Schuldigen an?« fragte mein Vater mit gehobener Braue.
    »Auf Bassompierre und sein Mademoiselle d’Entraigues gegebenes Eheversprechen.«
    Mein Vater nickte: »Ja, davon hörte ich. Sosehr ich Bassompierre liebe, sosehr widerstrebt mir sein Betragen gegenüber Damen,
     noch mehr allerdings dieser Rechtsbruch, zu dem die Regentin die Richter gezwungen hat.«
     
    Von Héroard hörten wir später, wie Ludwig an diesem Morgen aufgestanden war. Das Unbefriedigende bei Héroard war freilich,
     daß er aus steter Furcht, zuviel zu sagen, nie genug sagte. Ludwig, berichtete er also, erwachte an diesem siebzehnten Oktober
     um fünf Uhr in der Frühe, war beim Lever vergnügt und machte einen guten Eindruck. Für uns, die ihn lieben, war dies erfreulich
     zu hören, und es zeigt, daß das Königskind weniger an die ermüdende Zeremonie dachte als an die große Würde, welche die Salbung
     ihm verleihen sollte.
    Gerne hätten wir gewußt, da Héroard darüber nichts sagte, ob er bei seinem Lever auch gefrühstückt habe. Ein wichtiger Punkt
     immerhin, denn hätte er nichts gegessen (was in Hinsicht der bevorstehenden Kommunion wahrscheinlich ist), bedeutete dies:
     Er ließ nüchtern fünf volle Stunden lang diese endlose Zeremonie über sich ergehen, ohne einmal zu wanken oder zu erbleichen.
     Denn das sahen wir mit eigenen Augen! Wodurch die bösen Gerüchte, welche die Königin über seine ›schwäch liche Konstitution‹ ausstreuen ließ, gänzlich widerlegt waren.
    Kaum war Ludwig aufgestanden und hatte seine natürlichen Pflichten gegen die Natur erfüllt (unter sorglicher Beobachtung Héroards),
     als sein Erzieher, Monsieur de Souvré, vortrat und sagte: »Sire, ist Euch gegenwärtig, daß heute Eure Salbung stattfindet?«
     – »Es ist mir gegenwärtig«, sagte Ludwig vergnügt. Und man begann ihn anzukleiden. Es waren aber nicht seine gewöhnlichen |64| Kleider, sondern ein durch eine jahrhundertealte Zeremonie befohlenes Gewand: ein feines Hemd, ein Kamisol aus purpurrotem
     Satin und darüber eine lange silbrige Robe.
    Währenddessen wurde in dem angrenzenden Kabinett das Paradebett hergerichtet. Als es bereitstand, legte sich Ludwig mit seinen
     vor Neugier brennenden, großen schwarzen Augen darauf, ohne ein Wort zu sagen.
    Nun erschien der Herzog von Aiguillon, der Großkämmerer von Frankreich. Und groß war er in der Tat, nicht allein kraft seines
     Titels, sondern auch an Wuchs und Umfang. Nachdem er

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