Königsklingen (First Law - Band 3)
das lag vermutlich nur daran, dass ihm das eigene Schuldbewusstsein Streiche spielte.
»Tul Duru Donnerkopf«, sagte Dow. »Wieder zu Schlamm geworden. Die Toten wissen, dass wir nicht immer einer Meinung waren, er und ich. Manchmal konnten wir uns über gar nichts einig werden, aber vielleicht war das meine Schuld, weil ich nun mal selbst in bester Stimmung ein Drecksack bin, der immer widersprechen muss. Das tut mir jetzt leid, würd ich sagen. Jetzt ist es zu spät.« Er atmete stoßweise ein.
»Tul Duru. Jeder Mann im Norden kannte seinen Namen, und jeder Mann sprach ihn voller Respekt aus, selbst seine Feinde. Er war ein Mann ... der einem Hoffnung gab, würd ich sagen. Der einem Hoffnung gab. Ihr wolltet Stärke, ja? Ihr wolltet Mut? Ihr wolltet, dass die Dinge ordentlich und richtig nach alter Art erledigt wurden?« Er nickte zur frisch aufgeworfenen Erde hinüber. »Dann war er der Richtige. Tul Duru Donnerkopf. Weiter brauchte man nicht zu suchen. Mir wurde etwas genommen, nun, da er von uns gegangen ist, wie auch euch allen.« Damit wandte Dow sich ab und stolzierte davon, weg vom Grab und hinein in die Dämmerung, den Kopf gesenkt.
»Uns allen wurde etwas genommen«, murmelte Hundsmann, der mit dem leisen Glitzern einer Träne in den Augen zu Boden blickte. »Gut gesprochen.« Sie alle sahen erschüttert aus, wie sie da um das Grab herum standen. West und sein Korporal Pike, Espe und sogar Grimm. Erschüttert.
Logen wollte ebenso empfinden wie sie. Er wollte weinen. Um den Tod eines guten Mannes. Darum, dass vielleicht er es war, der ihn verschuldet hatte. Aber die Tränen kamen nicht. Er sah finster auf die frisch aufgeworfene Erde, während die Sonne hinter den Bergen unterging und es dunkel wurde in der Festung auf den Hohen Höhen, und er fühlte weniger als nichts.
Wenn man ein neuer Mensch werden will, muss man an neuen Orten bleiben, neue Dinge tun, und zwar mit Menschen, die einen vorher nicht kannten. Wenn man wieder dieselben alten Wege beschreitet, wer anders kann man dann sein als ganz der Alte? Man muss realistisch sein. Er hatte versucht, ein anderer Mensch zu werden, aber das waren nichts als Lügen gewesen. Lügen, die sich am schwersten entlarven lassen. Lügen, die man sich selbst erzählt. Er war der Blutige Neuner. Das war eine Tatsache, und wie sehr er sich auch wand und zappelte und unbedingt jemand anders sein wollte, er konnte dem nicht entfliehen. Logen wollte, dass andere ihm wichtig waren.
Aber dem Blutigen Neuner ist gar nichts wichtig.
UNSANFTES ERWACHEN
Jezal lächelte, als er allmählich erwachte. Sie hatten diese verrückte Mission beinahe beendet, und schon bald würde er wieder in Adua sein. In Ardees Armen.
Warm und sicher. Bei dem Gedanken kuschelte er sich noch ein wenig in seine Decken. Dann runzelte er die Stirn. Von irgendwo her ertönte ein lautes Klopfen. Er öffnete die Augen einen Spalt. Jemand zischte ihm quer durch den Raum etwas zu, und er wandte den Kopf.
Er sah Terez’ Gesicht, bleich in der Dunkelheit, das zwischen den Vorhängen des Bettes zu ihm hinüberblickte, und mit entsetzlicher Geschwindigkeit fielen ihm die Ereignisse der letzten Wochen wieder ein. Terez sah genauso aus wie an dem Tag, an dem er sie geheiratet hatte, ganz sicher, und dennoch erschien ihm das vollkommene Gesicht seiner Königin inzwischen hässlich und hassenswert.
Das königliche Schlafgemach war ein Schlachtfeld geworden. Die Grenze, die mit eiserner Entschlossenheit verteidigt wurde, bestand aus einer unsichtbaren Linie zwischen Tür und Kamin, die Jezal auf eigene Gefahr übertrat. Die andere Seite des Zimmers war styrisches Hoheitsgebiet, und das mächtige Bett selbst war Terez’ stärkste Zitadelle, deren Verteidigungsanlagen offenbar unüberwindlich waren. In der zweiten Nacht nach ihrer Eheschließung hatte er in der Hoffnung, dass es in der ersten vielleicht ein Missverständnis gegeben hätte, einen halbherzigen Angriff gewagt, bei dem er eine blutige Nase davongetragen hatte. Seitdem hatte er sich ohne allzu viel Hoffnung auf eine lange und fruchtlose Belagerung eingerichtet.
Terez war eine Meisterin der Täuschung. Er schlief auf dem Fußboden oder auf irgendeinem zu kurz geratenen Möbel oder wo es ihm sonst beliebte; Hauptsache, er schlief nicht bei ihr. Beim Frühstück dann lächelte sie ihn an und redete nicht davon, manchmal legte sie sogar liebevoll ihre Hand auf die seine, wenn sie wusste, dass man sie beobachtete. Gelegentlich ließ sie sogar ihn
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