Königsklingen (First Law - Band 3)
Gesichtern um die Verwundeten. Manche Männer saßen da und weinten, vielleicht neben ihren gefallenen Kameraden. Manche starrten wie betäubt auf die eigenen Wunden. Andere heulten und gurgelten, schrien nach Hilfe oder nach Wasser. Wieder andere eilten, um es ihnen zu bringen. Eine letzte freundliche Geste für die Sterbenden. Eine lange Reihe mürrischer Gefangener zog sich vor der Felswand durch das Tal, von berittenen Unionssoldaten misstrauisch bewacht. In der Nähe lagen wirre Haufen abgegebener Waffen, Berge von Kettenpanzern und Stapel bemalter Schilde.
West bahnte sich vorsichtig den Weg durch das, was einmal Bethods Lager gewesen und binnen einer wilden halben Stunde in ein riesiges Trümmerfeld verwandelt worden war, das sich über den nackten Felsen und die harte Erde erstreckte. Die verdrehten Leichen von Menschen und Pferden lagen zwischen den zertrampelten Zeltstangen, zerfetztem und weggerissenem Segeltuch, geborstenen Fässern, kaputten Kisten und allerlei Gerät zum Kochen, Instandsetzen und Kämpfen. Alles in den Dreck getreten und mit den verschmierten Abdrücken von Hufen und Stiefeln versehen.
Inmitten all dieses Irrsinns gab es seltsame Inseln der Ruhe, in denen alles ungestört weiter seinen Lauf nahm, so wie es vermutlich gewesen war, bevor West den Angriff befohlen hatte. Ein Topf hing noch immer über einem rauchenden Feuer, und eine dicke Fleischsuppe brodelte darin. Ein Bündel Speere war sorgfältig gegeneinander aufgestellt, mit Hocker und Wetzstein daneben, und wartete darauf, geschärft zu werden. Drei Schlafstätten bildeten ein perfektes Dreieck, die Decken am Kopfende zusammengefaltet, sauber und ordentlich, abgesehen davon, dass ein Mann gefällt darüber lag und der Inhalt seines aufklaffenden Schädels sich auf die bleiche Wolle ergoss.
Nicht weit davon entfernt kniete ein Unionsoffizier auf dem Boden und hielt einen zweiten im Arm. Ein Gefühl des Wiedererkennens ließ West beinahe übel werden. Der auf den Knien war sein alter Freund Leutnant Brint. Der andere, der ausgestreckt und schlaff da lag, war sein alter Freund Leutnant Kaspa. Aus irgendeinem Grund fühlte West den beinahe übermächtigen Wunsch, einfach wegzugehen, den Hügel hinaufzusteigen, als ob er sie nicht gesehen hätte. Er musste sich dazu zwingen, zu ihnen hinüberzugehen. Bitterer Speichel floss ihm in den Mund.
Brint sah auf, das bleiche Gesicht voller Tränenspuren. »Ein Pfeil«, flüsterte er. »Ein verschossener Pfeil. Er konnte noch nicht einmal sein Schwert ziehen.«
»Das ist Pech«, brummte Pike. »Pech.«
West sah nach unten. Wirklich Pech. Nun sah er unterhalb von Kaspas Bart, unter seinem Kinn, den abgebrochenen Schaft eines Pfeils herausragen, aber es war erstaunlich wenig Blut geflossen. Überhaupt hatte sein Äußeres kaum gelitten. Ein paar Schlammspritzer auf dem Ärmel seiner Uniform, das war alles. Obwohl sie im Grunde schielend ins Nichts starrten, hatte West das Gefühl, dass Kaspas Augen direkt in seine blickten. Seine Lippe war mit gereiztem Ausdruck gehoben, die Brauen anklagend gerunzelt. West hätte ihn am liebsten darauf angesprochen, zu wissen verlangt, was er denn meinte, und er musste sich daran erinnern, dass der Mann tot war.
»Ein Brief«, murmelte West, der mit seinen Fingern spielte, »an seine Familie.«
Brint schniefte elend, was West aus irgendeinem Grund wütend machte. »Ja, ein Brief.«
»Ja. Korporal Pike, kommen Sie mit mir.« West hielt es keinen Augenblick länger aus, dort zu stehen. Er wandte sich ab von seinen Freunden, dem Lebenden und dem Toten, und schritt das Tal entlang. Dabei tat er sein Bestes, nicht darüber nachzudenken, dass einer seiner angenehmsten und harmlosesten Bekannten noch leben würde, hätte er diesen Angriff nicht befohlen. Ohne eine gewisse Unbarmherzigkeit konnte man vielleicht wirklich kein Anführer sein. Aber Unbarmherzigkeit ist nicht immer leicht.
Er und Pike kletterten über einen zerstörten Erdwall und einen zertrampelten Graben, und das Tal wurde immer enger, als die hohen Felswände weiter aufeinander zurückten. Noch mehr Leichen. Nordmänner und wilde Menschen, wie er sie schon in Dunbrec gesehen hatte, und Schanka, die überall auf dem aufgewühlten Boden verstreut lagen. West sah nun auch die Mauer der Festung, die kaum mehr war als eine bemooste Erhebung in der Landschaft, an deren Fuß noch mehr Tote lagen.
»Sie haben dort sieben Tage lang ausgehalten?«, brummte Pike.
»So sieht es aus.«
Der einzige
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