Königsklingen (First Law - Band 3)
LUDWIG XIV. AUF SEINEN KANONEN ANBRINGEN LIESS
DIE ZAHL DER TOTEN
Es war still im Dorf. Die wenigen Häuser, aus altem Stein gebaut und mit inzwischen bemoostem Schiefer bedeckt, schienen verlassen zu sein. Auf den umliegenden Feldern zeigte sich kaum Leben, lediglich ein paar elende Kühe. In Ferros Nähe knarrte eine Glocke oben in ihrem Turm. Ein paar lose Fensterläden schwangen hin und her und klapperten. Eine Hand voll zusammengekrümmter Blätter wurde von einer kleinen Brise gepackt und flatterte sanft über den leeren Platz. Am Horizont stiegen drei Säulen dunklen Rauchs ruhig und stetig in den schweren Himmel.
Die Gurkhisen kamen, und sie hatten immer schon gern Feuer gemacht.
»Maljinn!« Major Vallimir erschien an der Falltür zu ihren Füßen, und Ferro sah finster auf ihn herab. Als sie sich zum ersten Mal begegnet waren, hatte er sie an Jezal dan Luthar erinnert. Ein rundes, blasses Gesicht, geprägt von dieser Mischung aus Panik und Arroganz, die sie wütend machte. Es war offensichtlich, dass er zuvor noch nicht einmal eine Ziege in einen Hinterhalt gelockt hatte, von gurkhisischen Kundschaftern gar nicht zu reden. Aber trotzdem tat er so, als wüsste er alles besser. »Sehen Sie was?«, zischte er ihr zum fünften Mal in einer Stunde zu.
»Ich sehe sie kommen«, knurrte Ferro zurück.
»Wie viele?«
»Immer noch ein Dutzend.«
»Wie weit entfernt?«
»Vielleicht jetzt noch eine Viertelstunde Ritt, und deine Fragerei wird sie nicht schneller herankommen lassen.«
»Wenn sie den Platz erreichen, dann werde ich das Zeichen geben, indem ich zweimal in die Hände klatsche.«
»Pass aber auf, dass du nicht mit einer Hand an der anderen vorbeischlägst, Rosig.«
»Ich habe Ihnen schon einmal verboten, mich so zu nennen!« Eine kurze Pause. »Wir müssen einen von ihnen lebend ergreifen, um ihn zu befragen.«
Ferro krauste die Nase. Sie hielt wenig davon, Gurkhisen am Leben zu lassen. »Werden wir sehen.«
Sie wandte sich wieder dem Horizont zu, und schon bald hörte sie, wie Vallimir einigen seiner Männer flüsternd Befehle gab. Die Übrigen hatten sich auf die anderen Gebäude verteilt und hielten sich versteckt. Eine seltsame Gruppe übrig gebliebener Soldaten. Ein paar von ihnen waren Altgediente, aber die meisten waren sogar noch jünger und nervöser als Vallimir selbst. Ferro wünschte sich nicht zum ersten Mal, sie hätten Neunfinger dabei. Man mochte ihn mögen oder nicht, aber niemand hätte leugnen können, dass er sein Handwerk verstand. Bei ihm hätte Ferro gewusst, was er mitbrachte. Solide Erfahrung und gelegentlich auch mörderische Wut. Beides wäre hier nützlich gewesen.
Aber Neunfinger war nicht da.
Also stand Ferro allein im großen Fenster des Glockenturms, sah mit finsterem Blick über die wogenden Felder von Midderland und beobachtete, wie die Reiter näher kamen. Ein Dutzend gurkhisischer Kundschafter, die in losem Verband einen schmalen Pfad entlangritten. Tanzende Punkte auf einem blassen Streifen zwischen Flecken dunkler Erde.
Sie wurden langsamer, als sie den ersten Holzschuppen erreichten, und schwärmten aus. Ein großes gurkhisisches Heer bestand in der Regel aus Soldaten aus allen Gebieten des Imperiums, Kämpfern aus allen möglichen eroberten Provinzen. Diese zwölf Kundschafter waren Kadirer, nach ihren langen Gesichtern und den schmalen Augen, nach den Satteltaschen aus gemustertem Tuch und der leichten Bewaffnung mit Bogen und Speer zu urteilen. Sie zu töten, würde keine große Rache sein, aber zumindest ein bisschen. Es würde die Leere ein wenig füllen. Eine Leere, die schon viel zu lange in ihr gähnte.
Einer von ihnen zuckte zusammen, als eine Krähe von einem struppigen Baum aufflog. Ferro hielt den Atem an und war überzeugt, dass Vallimir oder einer seiner ungeschickten Rosigs diesen Augenblick wählen würde, um über die eigenen Leute zu fallen. Aber es herrschte Schweigen, während die Reiter vorsichtig bis zum Dorfplatz ritten und ihr Anführer sie mit erhobener Hand zu Achtsamkeit ermahnte. Er blickte direkt zu ihr empor, sah aber nichts. Eingebildete Narren. Sie sahen nur, was sie sehen wollten. Ein Dorf, aus dem die Bewohner geflohen waren, zitternd vor Angst vor dem unvergleichlichen Heer des Imperators. Ihre Faust umfasste hart ihren Bogen. Sie würden ihre Lektion schon noch bekommen.
Sie würde sie ihnen erteilen.
Der Anführer hielt ein Quadrat aus weichem Papier in Händen und blickte darauf, als enthielte es eine Botschaft
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