Köpfe
während der ersten Jahre seiner spirituellen Reise speisen sollte.
Thierry selbst nannte man den Emporgestiegenen Meister. Angeblich erstattete er seiner Mätresse wöchentlich Bericht über seine Abenteuer. Sie lebte bis in ein sehr hohes Alter, scheute jede Verjüngungskur, legal oder nicht, entwickelte ebenfalls eine gewaltige Leibesfülle und – so wurde erzählt – gesellte sich zu ihrem ehemaligen Geliebten auf dessen Pilgerschaft.
Nach seinem Tod wurde einer seiner Sekretäre in Grün-Idaho wegen Vertriebs von Kinderpornos eingesperrt. Es gab keine Beweise, daß Thierry je an derartigen Aktivitäten teilgenommen hatte, doch der daraus entstehende Skandal hätte die Kirche der Logologie beinahe ruiniert.
Die Kirche erholte sich mit bemerkenswerter Geschwindigkeit, als sie ein Förderprogramm für junge LitVid-Künstler unterstützte. Nachdem sie das Programm als Trittbrett für die Anerkennung bei Politikern und der allgemeinen Öffentlichkeit benutzt hatte, war die Vergangenheit der Logologie bald vergessen, und ihre jeweiligen Direktoren – anonym, fähig und verhältnismäßig farblos – führten die Arbeit zu Ende, die Thierry begonnen hatte. Sie machten die Logologie zu einer rechtmäßigen alternativen Religion für all jene, die immer noch nach einer entsprechenden Tröstung suchten.
Die Kirche gedieh und unternahm ihre ersten Schritte in Richtung Puerto Rico. Die Logologisten gründeten 2046 auf der Insel ein freies Krankenhaus und ›psychiatrisches‹ Ausbildungszentrum, vier Jahre bevor Puerto Rico der einundfünfzigste Staat wurde. Bald darauf wurde die Insel von einer stabilen sechzigprozentigen Bevölkerungsmehrheit von Logologisten beherrscht, die größte Religionskonzentration auf der Erde. Jeder puertoricanische Repräsentant im Kongreß der Vereinigten Staaten war seit der Eigenstaatlichkeit ein Logologist.
Das übrige war mehr oder weniger bekannt, einschließlich einer tiefschürfenden Geschichte über den Io-Ankauf und die Expedition.
Als ich damit fertig war, das umfassende Material zu sichten, war ich ausgelaugt und skeptisch. Ich hatte das Gefühl, die menschliche Natur aus einer etwas höheren Perspektive zu begreifen – als jemand, der kein Logologist war, der sich von Thierrys Lügen und Hirngespinsten nicht hatte mitreißen lassen.
IN DIESER NACHT TRÄUMTE ICH, ich wandelte entlang eines Bewässerungskanals in Ägypten. Die Morgendämmerung zog in intensivem Blau im Osten herauf, die Sterne über mir waren noch zu sehen. Der Kanal war über Nacht zugefroren, was mich freute; er lag inmitten eines Durcheinanders von Eiswürfeln, klar wie Glas, und die Würfel ordneten sich selbst, wie lebendige Dinge, zu vollkommen glatten Bahnen. Ordnung, dachte ich. Die Pharaonen werden angetan sein. Doch als ich in die Tiefe des Kanals blickte, sah ich, daß Fische in den Schichten der Würfel gefangen waren, unfähig, sich zu bewegen, mit heftig klappenden Kiemen, und mir wurde bewußt, daß ich gesündigt hatte. Ich blickte hinauf zu den Sternen, gab ihnen die Schuld, doch sie weigerten sich, die Verantwortung zu übernehmen; dann blickte ich zu den Rändern des Kanals, zwischen das Schilfgras, und sah kupferne Doppeltori zu beiden Seiten, die lautlos saugten. Alle meine Traummuskeln zuckten zusammen, und ich wachte auf.
Es war acht Uhr, und mein Com-Beantworter blinkte höflich. Ich hörte ihn ab; zwei Nachrichten waren drauf, eine von Rho, die sie drei Stunden zuvor hinterlassen hatte, und eine von Thomas Sandoval-Rice, die eine Stunde nach ihrer eingegangen war.
Rhos Botschaft war nur eine mündliche, sehr kurz gehalten. »Mickey, der Direktor möchte eine Zusammenkunft mit uns beiden, heute in Port Yin. Er schickt uns ein Management-Shuttle um zehn Uhr.«
Die Nachricht des Direktors bestand aus einer ausführlicheren Textanzeige und einer mündlichen Übermittlung durch seine Sekretärin. »Mickey, Thomas Sandoval-Rice würde sich gern so bald wie möglich mit Ihnen in Port Yin treffen. Es wäre uns daran gelegen, daß auch Rhosalind dabei ist.« Die Nachricht wurde begleitet von einer Textanzeige und einem LitVid über die Logologie, so ziemlich das gleiche Material, das ich bereits durchforstet hatte.
Ich erledigte die für den Tag anstehenden Angelegenheiten und sagte eine Verabredung mit Familieningenieuren ab, bei der es über die Generator-Wartung gehen sollte.
RHO WAR IN EINER FÜR SIE untypischen düsteren Stimmung, während wir in der Lounge des Landeplatzes Vier
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