Köpfe
halten.«
»Natürlich. Ich beschuldige ja auch niemanden… Aber was weißt du über die Logologisten?«
Lucinda dachte einen Moment lang nach. »Sie sind hartgesottene Vertragspartner. Daood – das ist Hakims Bruder – hat einen Bau-Auftrag über die Unabhängige Station in der Nähe von Fra Mauro abgewickelt. Das ist eine Task-Felder-Station.«
»Ich weiß. Ich war dort letzten Monat zu einer Tanzveranstaltung eingeladen.«
»Bist du hingegangen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Zuviel Arbeit.«
»Daood sagte, sie hätten die Nernst-Konstrukteure acht Wochen lang weichgeknetet und dreimal die Spezifikationen geändert. Das scheint eine Managementmacke zu sein – bei Task-Felder wird von oben nach unten getüftelt. Kein unabhängiges Denken bei den Leuten vor Ort. Daood war nicht sehr beeindruckt.«
Ich lächelte. »Wir haben auch einigen Nernst-Leuten das Leben schwergemacht. Letztes Jahr, bei den Reparaturarbeiten an den Kühlmaschinen und der Modernisierung der Radiatoren.«
»Hakim hat etwas davon erwähnt… Daood sagte, wir wären Heilige verglichen mit den Task-Felders.«
»Gut zu wissen, daß unsere Bruder-MBs eine hohe Meinung von uns haben.«
Sie versank für eine Weile in Nachdenken. Unser Essen kam auf einem Robotnik-Servierwagen. »Ich habe natürlich von Io gehört. Es war kaum zu glauben. Hast du irgend etwas von Thierry gelesen?« fragte Lucinda. »Seine Werke waren in unserer Kinderzeit sehr beliebt.«
»Es ist mir gelungen, ihnen zu entgehen«, sagte ich. K.D. Thierry, ein auf der Erde geborener Filmproduzent, der sich selbst als Philosoph bezeichnete und sich wie ein diktatorischer Guru gebärdete, hatte gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts die Chromopsychologie begründet und sie dann zur Logologie weitergesponnen.
»Er muß bestimmt dreihundert Bücher und LitVids verfaßt haben. Zwei davon habe ich gelesen – Planetarischer Geist und Seele, was nun? Ziemlich seltsames Zeug. Er versuchte, Regeln für alles aufzustellen, vom Träumen bis zum geregelten Stuhlgang.«
Ich lachte. »Warum hast du sie gelesen?«
Lucinda hob die Schultern. »Ich hab früher viele LitVids kopiert. Es gab sie in der Bücherei. Ich hab sie mir ausgeliehen und nur die Leihgebühr bezahlt – etwa die Hälfte von dem, was die meisten LitVids sonst kosten. Jede Menge hübsches Video-Zeug. Glitzernde Seen und Flüsse auf der Erde – Bilder von Thierry, der auf seiner mit Solarenergie betriebenen Jacht um die Welt reist. Solche Sachen. Alles sehr reizvoll für ein Mondmädchen.«
»Hast du irgend etwas gelesen, das erklärt, was auf Io passiert ist?«
»Ich erinnere mich an so etwas, daß Thierry von einem Engel verkündet worden sei, die Menschen seien die Brut kriegführender Götter, Überwesen. Sie lebten vor der Geburt unserer Sonne. Er sagte, daß tief in unserem Innern Teile der Persönlichkeiten einiger dieser Götter steckten.«
»Das leuchtet mir ein.«
»Die übrigen der göttlichen Geister wurden gefangengenommen und von ihren Feinden unter Schwefel auf dem ›Höllenmond‹ begraben. Sie warteten auf uns, damit wir sie befreien und uns wieder mit ihnen zusammentun. Oder so ähnlich.« Sie schüttelte den Kopf.
Ich kannte den Rest der Geschichte; er befand sich in den Unterlagen über neuere Geschichte, die ich als Nebenfach studiert hatte. Im Jahr 2090 hatten die Logologisten auf dem Mars einen tausendjährigen Entwicklungs-Pachtvertrag über Io mit dem Tripel abgeschlossen; der wilde, nutzlose Io, der nur zweimal in der Geschichte von menschlichen Forschern besucht worden ist. Die neuen Pächter richteten im Jahr 2100 eine von Menschen bewohnte Station auf Io ein. Die Station samt aller Bewohner ging während der Bildung eines neuen Schwefelsees, vergleichbar mit der Pelee-Katastrophe, verloren. Fünfundsiebzig getreue Logologisten starben und konnten niemals geborgen werden; sie sind noch immer dort, begraben unter schwarzem Schwefel.
Die Logologisten hatten nie zugegeben, daß sie nach verlorenen Göttern suchten.
Ich erschauderte. »Ich wußte nicht, um was es ihnen geht. Das ist interessant.«
»Es ist gespenstisch«, sagte Lucinda. »Ich habe aufgehört, seine Sache zu lesen, als mir klar wurde, daß er sich einbildete, Geschichte zu schreiben. Diese Leute halten ihn praktisch selbst für einen Gott.«
»Wirklich?«
»Du hast mit ihnen zu tun, und du weißt nicht, was sie denken?«
»Meine Unkenntnis ist sprichwörtlich«, sagte ich und hob die Hände. »Welche Art von
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