Köpfe
Gott?«
»Sie behaupten, er sei nicht gestorben, er befände sich bei bester Gesundheit. Er hätte lediglich seinen Körper wie eine Hülle zurückgelassen. Jetzt berät er angeblich die Logologisten durch spirituelle Botschaften, die von seinen auserwählten Jüngern übermittelt werden, jeder Generation aufs neue. Er salbt sie mit blauer Kälte, sagen sie. Was immer das heißen mag. Was hat Rho also vor, das ihnen nicht gefällt?«
»Meine Lippen sind versiegelt. Rho gibt demnächst Pressekonferenzen.«
»Aber die Präsidentin weiß davon.«
»Ich nehme es an.«
»Ich danke dir für dein Vertrauen, Micko.« Sie schenkte mir ein spitzbübisches Lächeln, um mir kundzutun, daß sie mich neckte. Dennoch hatte ich ein unbehagliches Gefühl.
»Ich kann nicht behaupten, daß mir irgend etwas daran gefällt«, gestand ich. »Das macht die Dinge noch viel komplizierter.«
»Dann solltest du dich besser wieder an deine Hausaufgaben setzen«, riet sie mir.
JE EINGEHENDER ICH MICH mit der Logologie beschäftigte, desto mehr faszinierte sie mich. Und desto mehr widerte sie mich an – wenn auch die Faszination letztendlich siegte. Es handelte sich dabei um einen Glauben oder eine logische Philosophie – ein System ohne vernünftige Metaphysik. Es waren kindische Hypothesen und sogar regelrechte Hirngespinste, die sich als verbrämte Wahrheit gaben. Und das Ganze begründete sich nur auf einer einzigen angeblichen Einsicht in den menschlichen Geist, etwas so Verwegenes – und so offenkundig Lächerliches –, daß es einen in seinen Bann zog.
K.D. Thierry hatte sich jedermanns tief empfundenen Wunsch zunutze gemacht, dabei zu sein, wenn sich ein Großes Ereignis anbahnte. In dieser Hinsicht unterschied er sich nicht wesentlich von anderen Propheten und Messiassen; der eigentliche Unterschied lag darin, wieviel wir über Thierry wußten und wie lächerlich es erschien, daß ausgerechnet ein Mann wie er des Einblicks in irgendeine große Wahrheit gewürdigt würde.
In seiner Jugend war Thierry Schauspieler gewesen. Er hatte kleine Rollen in schlechten Low Budget-Filmen gespielt und eine oder zwei winzige in guten. Er war bei Film-Enthusiasten bekannt, aber sonst bei niemandem. Irgendwann kam er darauf, daß seine echte Stärke im Ausdenken von Handlungen lag, und folglich fing er an, Filme zu produzieren und sogar Regie zu führen.
Gegen Ende der 1980er Jahre hatte er sich einen Ruf als Regisseur einer Reihe von bizarren Mysterien-Filmen erworben, die von einem eigenartigen Beigeschmack geprägt waren, halb Wahnsinn, halb ironischer Humor, und er erfreute sich einer getreuen Anhängerschaft. Er begann an Colleges und Universitäten Vorlesungen zu halten. Angeblich soll er einmal zu einem Drehbuchschreiber in New York gesagt haben: »Filme sind ein schwacher Abglanz. Die Religion ist es, nach der wir streben sollten.«
Und er strebte. Da er kein ungebildeter Mensch war, schloß er sich jenem Chor an, der damals bemüht war, die letzten bröckelnden Reste Freudscher Doktrin von ihrem Podest zu fegen. Er versuchte alle Überbleibsel der Psychologie auf den Müllhaufen zu werfen; seine erste Frau war Psychotherapeutin gewesen, und die Trennung war für beide von nachhaltiger Grausamkeit gewesen.
Dann, als er dreiundvierzig Jahre alt war, kam eine Nacht der Erleuchtung. Er saß an einem Strand in der Nähe der kalifornischen Stadt Newport, als eine – so behauptete er – wuchtige Gestalt vor ihm auftauchte, groß wie ein Wolkenkratzer, die ihm ein Stück Kristallgestein von der Größe seiner Faust gab. Die Gestalt war der Form nach weiblich, doch der Kraft nach männlich, und sie sagte zu ihm: »Ich habe nicht viel Zeit. Ich bin schon zu lange tot, um hier zu bleiben und mit dir persönlich zu sprechen. Dieser Kristall erzählt die ganze Geschichte.«
Thierry vermutete, daß es sich bei der Gestalt um ein Hologramm handelte – was mir für eine Göttin, die sich manifestieren wollte, als ziemlich primitive Technik erschien, aber schließlich war Thierrys Phantasie durch seine Zeit eingeschränkt, und um sein angenommenes Publikum von wissenschaftlich Naiven zu erreichen, bediente er sich der Ausdrucksweise und der Denkart der 1990er Jahre.
Er blickte in den Kristall, schrieb das, was er darin sah, in einer Reihe von Büchern nieder, die zu seinen Lebzeiten nicht veröffentlicht wurden, und produzierte dann eine Epitome zum allgemeinen Gebrauch. Diese Epitome trug den Titel Die alte und die neue menschliche Rasse,
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