Köpfe
Geschmack ihres sich auflösenden Ichs in dem supraleitenden Mittel.
Die Wolke schwebte durch mich hindurch, wurde von einer unbekannten Trägheit der Fortpflanzung durch das Brückengeländer und hinaus über die Höhlung getragen, wo sie wie Regen anmutete. War auch ich im Begriff zu vergehen? Die anderen Abbilder von Rho und William hoben sich nur noch als verschwommene Umrisse gegen das Labor ab, das auch seinerseits verschwamm und flüssige Tentakel abwarf.
Seltsamerweise erschien die Höhlung, die die Kupfermuster enthielt – ich vermute, sie waren die Ursache dieser Geschehnisse, ihres neuen Zustandes, den der QL angekündigt hatte, null Kelvin – massiver und stabiler als alles andere, trotz der feinen Risse auf ihrer Oberfläche.
Dank meines Standpunktes zwischen den Pumpen – und ich wiederhole, das ist lediglich meine Spekulation – hatte ich offenbar nur soviel Auflösung erlitten, wie ich dem schädlichen Einfluß ausgesetzt gewesen war, während alles andere immer weniger real, immer weniger stofflich wurde.
Die Brücke senkte sich, dehnte sich unter meinem Gewicht, als ob ich auf einer Gummifläche stünde. Ich vollführte einige gymnastische Übungen und bekam das Geländer mit beiden Händen zu fassen. Das Absinken konnte ich jedoch nicht aufhalten. Ich fiel auf die untere Konstruktion zu, die die Köpfe enthielt. Ich versuchte hinaufzuklettern, fand jedoch mit den Füßen keinen Halt.
Ich sank immer tiefer, bis die Brücke und meine Beine buchstäblich die Decke der unteren Kammer durchdrangen. Ein heftiger Schmerz fuhr mir durch die Knochen von den Fersen bis zu den Hüften. Als ich auf der Suche nach einem neuen Halt, nach irgendeiner Möglichkeit, meinen Fall zu bremsen, nach oben blickte, sah ich, daß das Labor sich frei in der Mitte der Höhlung drehte und Dampfschwaden ausstieß. Rho und William sah ich überhaupt nicht mehr.
Ein Gefühl tiefer Kälte hüllte mich ein und verschwand wieder. Die Kühlmaschinen um mich herum verstummten, durchquerten die Kammer und erzeugten einige träge Klausel einer kalten blauen Flüssigkeit, mit der der untere Teil der Grube gefüllt gewesen war. Die Flüssigkeit schwappte über mich hinweg.
Bei der weiteren Beschreibung bin ich mir vollkommen bewußt, daß es sich um nichts anderes als ein Delirium gehandelt haben kann.
Wie kann der Instinkt die Gefahr einer Situation wahrnehmen, der noch nie ein Mensch ausgesetzt war? Ich empfand einen ungeheuren Ekel vor dieser unbekannten Flüssigkeit, einen so starken Widerwillen, daß ich das Brückengeländer in den Händen zermalmte wie Aluminiumfolie. Und doch wußte ich, daß es nicht das verflüssigte Gas aus den Kühlmaschinen war; ich hatte keine Angst, tiefgefroren zu werden.
Meine Füße hoben sich mühsam aus dem Schlamm, und ich klammerte mich an einem Stützpfeiler fest, so daß ich mich vielleicht einen Meter nach oben ziehen konnte. Dennoch war ich noch nicht dem strudelnden Becken entronnen, und das Zeug sickerte in mich ein.
Ich empfand mit einemmal Gefühle und hatte plötzlich Erinnerungen, die nicht meine eigenen waren.
Erinnerungen der Toten.
Erinnerungen dieser Köpfe, vierhundertzehn an der Zahl, die ihre Muster und Erinnerungen über die verwandelte kristalline Raumzeit verkleckerten, deren Informationen in einen zähen Brei aus Nichtmaterie tropfte, in etwas, das noch nie irgend jemand erlebt hatte, wie eine elementare Essenz oder ein kalter Sud.
Ich trage noch immer einige dieser Erinnerungen in mir. In den meisten Fällen weiß ich nicht, von wem oder was sie stammen mögen, doch ich sehe Dinge, höre Stimmen, erinnere mich an Szenen auf der Erde, die ich unmöglich kennen kann. Ich habe niemals nach einer Bestätigung getrachtet, aus denselben Gründen, aus denen ich bis jetzt diese Geschichte noch nie erzählt habe – denn wenn ich der Kelch solcher Erinnerungen bin, dann haben sie mich verändert und einige Bestandteile meiner eigenen Erinnerung ersetzt, die während der ersten paar Augenblicke der Stille von mir gewichen sind, und dafür will ich keine Bestätigung.
Es gibt insbesondere eine Erinnerung, meiner Ansicht nach die beunruhigendste von allen, die ich festhalten muß, obwohl sie nicht zu verifizieren ist. Sie muß von Kimon Thierry persönlich stammen. Sie hat einen besonderen Beigeschmack, der zu den übertragenen Stimmen und visuellen Umsetzungen paßt, die ich Fiona Task-Felder abgespielt habe. Ich glaube, daß in jenem entsetzlichen Tümpel die letzten
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