Körper-Haft (German Edition)
wusste, dass es eigentlich nur eine rhetorische Frage war, antwortete aber trotzdem: »Am Kehlkopf!«
Er sah mich fassungslos an und meinte: »Also, so langsam machen Sie mir Angst! Wie kommen sie darauf, die Elektroden am Kehlkopf anzubringen?«
Ich antwortete mit einem Smiley: »;-) Die Nervenströme dürften dort am stärksten sein. So wie bei dem Epcot -Spiel die Nervenströme am Finger am stärksten waren, um eine Richtung zu zeigen. Bei der Sprache jedoch müssten die Nervenströme vermutlich am Kehlkopf am stärksten sein.« Während ich den Text eingeblinzelt hatte, war er ungeduldig auf und ab gegangen und hatte immer wieder den Fortschritt meines Textes beäugt.
Als ich den Satz beendet hatte, sagte er: »Wieso diskutiere ich eigentlich noch mit meinen Kollegen, wenn ich mit Ihnen das Orakel von Delphi vor mir habe?! Sie haben absolut Recht! Und jetzt habe ich eine persönliche Bitte an Sie: Wären Sie dazu bereit, sich auf ein Experiment mit dieser Technik einzulassen? Sie bekämen lediglich ein Pflaster auf den Kehlkopf geklebt und müssten einfach denken, sie würden etwas sagen!«
Ich zögerte. Der Einsatz war gering, wenn man die Aussicht, wieder reden zu können, betrachtete. Auf der anderen Seite hatte ich mich derart an meine stille Existenz gewöhnt, dass ich mir gar nicht sicher war, ob ich wieder sprechen wollte. Denn von jedem, der reden kann, erwartet man auf jede Frage auch eine Antwort, schon aus Gründen der Höflichkeit! Und sei die Frage auch noch so dumm!
Doktor Gralstor war sichtlich irritiert, dass ich nicht sofort begeistert zustimmte, und fügte hastig hinzu: »Sie brauchen keine Angst haben, wir brauchen dazu keine OP, es tut auch überhaupt nicht weh! Wir brauchen nur ein Pflaster mit Elektroden und Ihren Willen mitzumachen!«
Das Angebot war wirklich verführerisch. Ich könnte nicht mit meiner eigenen Stimme, sondern mithilfe meiner Haut reden. Beziehungsweise mithilfe der Nervensignale, die dort ankamen. Alleine die Technik und die potentielle Machbarkeit interessierten mich brennend.
Ich blinzelte: »Ok, ich bin dabei!«
Er holte tief Luft und seufzte: »Super, ich bin so froh, dass Sie mitmachen!«
Ich blinzelte eine weitere Nachricht: »Nur noch eine Frage Herr Doktor, Sie sagten eingangs, Sie wollen im ersten Schritt Gedanken hörbar machen! Was ist dann ihr nächster Schritt?«
Er wich schon fast erschrocken zurück. »Sie sind ja furchtbar, registrieren Sie eigentlich alles, was im Raum herumschwebt?!« Dann ging er kopfschüttelnd aus dem Raum.
Rauchmelder
Apropos Herumschweben. Ich bewegte mich während dieser Zeit natürlich auch immer wieder auf der Zwischenebene und verfolgte dabei eine Erkenntnis, die ich bei meinem letzen Besuch in der Agentur gehabt hatte: Mike war ein Sammler. Vielleicht sammelte er nicht nur Trophäen und Bilder seiner Bestäubungsopfer. Vielleicht sammelte er auch Dinge, die er besser verschwinden hätte lassen sollen. Dinge, die man klugerweise nur in seiner Erinnerung aufbewahrte und nicht aufhebt wie einen fleischgewordenen Fluch.«
So wie im Mittelalter die Alraunwurzel zu Lebzeiten als Glücksbringer galt, die dem Besitzer zu Glück, Reichtum und materiellen Wohlstand verhalf. Wenn er sie jedoch zu lange oder bis zum Tod besaß, sollte sie den Besitzer mit noch viel mehr Unglück überschütten.
Die Wurzel, die oft in Form eines kleinen Männchens wächst, wurde oft sogar mit handgenähten Bekleidungsstücken vermenschlicht und in einer Truhe vorsichtig aufbewahrt. Man sagte, die besten und wundertätigsten Alraunen würden auf den Galgenbergen unter dem Henkersplatz wachsen. Sie sollten dem Aberglauben nach die stärksten Glücksbringer sein. Wenn man sie aber nicht rechtzeitig weggab, dann konnten sie schon zu Lebzeiten alles Übel der Welt über ihrem Besitzer ausschütten. Und so waren die Besitzer der Alraunen immer hin- und hergerissen, die wundersame Glücksträhne selbst abreißen zu lassen und die Alraune wegzugeben oder sich dem Fluch des ergaunerten Glücks auszusetzen. Dem Volksmund nach vermochten sich die meisten jedoch nicht rechtzeitig von ihrem Glücksbringer lösen und zogen das dunkle Unheil geradezu magisch an. Vielleicht hatte Mike auch so eine Art Alraune bei sich herumliegen und das Blatt wendete sich.
Ich war mir inzwischen ziemlich sicher, wenn es einen Hinweis für meine Unschuld gab, würde ich ihn in Mikes Wohnung finden. Über das Internet hatte ich bereits recherchiert, dass er immer noch unter
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