Körper-Haft (German Edition)
weltweit auszubauen. Doch dafür benötigte ich immer ein aktuelles Bild des jeweiligen Ortes. Was gab es für mich also Besseres als die Webcams im Internet?
Kaum hatte ich jedoch meinen E-Mail-Account , wurde ich von Kommissar Nattok mit Fragen zu Mosquitos Ableben überhäuft. Ich kontaktierte zuerst einmal meinen Anwalt, der sich überhaupt nicht überrascht zeigte. Ganz im Gegenteil – er behauptete, er habe sich dafür starkgemacht, dass ich einen E-Mail-Account bekomme und er gerade dran sei, mir auch einen Internet-Zugang einzurichten!
Ich schrieb ihm zurück: »Lieber Thomas, Du bist ein gottverdammter Lügner, aber das scheint wohl zu Deinem Beruf zu gehören. Wenn Du nicht möchtest, dass ich mir einen anderen Anwalt suche, möchte ich, dass Du mir gegenüber immer schön bei der Wahrheit bleibst. Und damit meine ich nicht eine Wahrheit, die Du Dir selbst zurechtgezimmert hast …«
Kurz darauf kam eine Antwort, in der er versuchte, sich herauszureden. »Lieber Frank, ich hielt die E-Mail für einen üblen Scherz und habe deswegen behauptet, ich hätte alles für Dich eingerichtet. Inzwischen habe ich Deinen Account über die Gefängnisleitung geprüft und ihn mir bestätigen lassen. Ich bin so froh, dass wir uns auf diese Art verständigen können. Natürlich bin ich in allen rechtlichen Fragen für Dich da …«
Vermutlich wusste er, dass ich seine Lüge durchschauen würde, aber in der jetzigen Situation noch einen neuen Anwalt zu suchen, schien mir zu zeitaufwendig. Also ließ ich mich von ihm aufklären, was ich bei der Zeugenbefragung von der Polizei zu beachten hatte. Wir vereinbarten, dass ich ihm von jeder Befragung eine Kopie schicken würde.
Vielleicht war ich inzwischen schon ein wenig paranoid geworden, denn ich speicherte zu meiner eigenen Vorsicht den Schriftwechsel auf dem Speicher meines Holo-Flat-Pads . Darüber hinaus schickte ich mir auch an zwei alte private E-Mail-Accounts von mir weitere Kopien zu. Vermutlich wurde man einfach so vorsichtig, wenn man so gelinkt worden war wie ich! Außerdem war man als Paranoider einfach nicht so allein! Ständig war jemand hinter einem!
Ich beantwortete die Fragen des Kommissars so weit ich wollte, aber nicht wie weit ich konnte! Ich berichtete darüber, wie Mosquito uns im Laufe der Jahre mehrfach misshandelt hatte und wie er mit dem Eimer Mosquitos an diesem fragwürdigen Tag in der Zelle erschienen war und seine Show abgezogen hatte. Ich erzählte bis zu den ersten Mosquitostichen und gab vor, dann das Bewusstsein verloren zu haben. Ich ging davon aus, dies würde sich wunderschön mit der Aussage von Daniel decken, der mich ja schließlich aus meiner Trance gerüttelt hatte.
Die Rede auf irgendwelche Zwischenebenen und außerkörperliche Erfahrungen zu bringen, hielt ich für unangebracht. Schließlich wollte ich nicht für die nächsten Jahre mit irgendwelchen Tranquilizern sediert werden. Außerdem hatte es vermutlich nichts mit Mosquitos Tod zu tun. Das hoffte ich jedenfalls inständig!
Die beiden anderen überlebenden Zelleninsassen schienen die Fragen noch deutlich rudimentärer beantwortet zu haben und halfen bei der Klärung ebenfalls nicht weiter. Die Obduktion von Mosquito hingegen brachte eigenartige Erkenntnisse. Er hatte zwar ein paar seiner kleinen Freunde eingeatmet und diese noch in der Luftröhre und den Bronchien kleben. Aber das war natürlich nicht die Todesursache. Was keiner gewusst hatte, war: Er hatte eine seltene Hystamin- Allergie gegen Insektengifte, die ihn zuerst kollabieren und dann sterben ließen. Ich persönlich konnte mir nicht vorstellen, dass er von dieser Histamin-Allergie nichts wusste. Aber warum gerade er sich dann mit hunderten todbringenden Insekten konfrontierte, blieb mir rätselhaft.
Hatte er, als er von seinem würdevollen Abschied gesprochen hatte, etwa seinen Suizid gemeint hatte? Nach Rücksprache mit meinem Anwalt teilte ich dem Kommissar meinen Verdacht mit. Es gab jedoch keinen Abschiedsbrief noch sonstige Hinweise auf einen geplanten Selbstmord. Dennoch wurde der Verdacht auch vonseiten der Polizei an die Medien mitgeteilt. Die Journalisten übertrafen sich gegenseitig in ihren Mutmaßungen, die bis hin zu einem inszenierten Selbstmord gingen. Seinen eigenen Körper in Form eines ausgebreiteten Schirmes vor dem Bett des Regenschirmmörders zu platzieren, wurde als Hommage an mich gewertet. Sowohl im Internet als auch im Fernsehen gab es plötzlich eine Unzahl von selbst ernannten
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