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Körper-Haft (German Edition)

Körper-Haft (German Edition)

Titel: Körper-Haft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Romey
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Und in den Grundsemestern lernte ich Doktor Gregor kennen. Soviel erst einmal zu meiner Person. Aber lassen Sie uns weiter über die geplante virtuelle Buchstabiertafel sprechen …«
    In Anspielung auf das Kreisen mit dem Finger über der Tastatur meinte er dann noch: »Sie werden sehen, mit dem bloßen Auge wird das System Adler deutlich besser!« Er grinste uns selbstversonnen an.
    Er hielt sein Wort und spielte das Programm bereits am Freitag auf. Als ersten Test hatte er ein Aufgabenblatt mit Fragen vorbereitet. Direkt im Anschluss gab es noch ein weiteres Feld für Fragen oder Anregungen zum Handling beziehungsweise der Usability und Navigation .
    Endlich war mein Intellekt mal wieder gefragt! Und endlich hatte ich die Chance, mich wieder meiner Umwelt mitzuteilen. Genau genommen war es die letzten Jahre wie eine Art Schweigegelübde, das ich abgelegt hatte. Schlimmer noch, es war als hätte man mir die Zunge herausgeschnitten und die Finger, die ich zum Schreiben gebraucht hätte, abgehackt. Aber jetzt war es endlich soweit! Ich konnte mich endlich wieder aktiv mitteilen. Mir war bisher gar nicht klar gewesen, wie sehr mir das gefehlt hatte. Die Aufgaben, die ich als Funktionstest des Programms verstanden hatte, waren ruckzuck von mir erledigt. Und bei den Verbesserungen tobte ich mich natürlich um so mehr aus.
    Um geschlossene Fragen noch schneller beantworten zu können, wollte ich weitere Blinzel-Felder auf meinem Holo-Flat-Pad , welche für die Antworten »Ja«, »Nein«, »Vielleicht« und »Weiß nicht« stehen sollten. Damit konnte man gut gestellte Fragen mit einem einzigen Blinzeln beantworten. Außerdem regte ich die vom SMS-Schreiben bekannte T9-Texterkennung an.
    Ein weiter Wunsch war, eine Internetverbindung und einen E-Mail- Account einzurichten, mit der Begründung, dass die Polizei dort ihre Fragen einstellen und ich sie dann auch nach und nach beantworten könnte.
    Doktor Gralstor kam sonntags noch bei uns vorbei, um zu sehen, wie weit wir mit der neuen Software zurande kamen. Während ich vor Eifer und Begeisterung nur so brannte, hatten meine beiden Zellengenossen hingegen noch nicht einmal den Fragebogen beantwortet. Entweder hatten sie kein Interesse daran oder es gab einen anderen Grund, weshalb sie meine Euphorie nicht teilten. Doktor Gralstor setzte sich noch eine Weile zu mir und wir kommunizierten angeregt über das nun mit QUERZ -Tastatur gesteuerte Holo-Flat-Pad . Er versprach mir, die technischen Änderungen anzupassen und darüber hinaus zu prüfen, ob die Einrichtung von Internetanschluss und E-Mail-Account von der Gefängnisleitung her zulässig sei.
    Er war begeistert von den Anregungen und meinte: »Ihre Verbesserungsvorschläge sind wirklich großartig. Sie werden die Kommunikation mit Wachkomapatienten in Zukunft deutlich erleichtern! Es ist schon fast schade, dass ich nicht selbst darauf gekommen bin!« Er lächelte mich an und schien keine Vorurteile gegenüber einem verurteilten Mörder zu haben.
    Ich antworte ihm mittels der neuen Software und schrieb ihm: »Vielen Dank für die Blumen, Herr Doktor, aber ich glaube, Sie haben noch etwas ganz anderes in petto.«
    Er sah mich nachdenklich an und meinte: »Sie sind ein ganz schön wacher Bursche, vielleicht … hm, ich muss jetzt leider gehen. Auf Wiedersehen Herr Schirmer.«

Sprechende Haut
    Die Gefängnisleitung schien die Kröte bezüglich des Internetzuganges geschluckt zu haben. Schließlich wollte man der Polizei einen möglichst einfachen Zugang zu den Zeugenaussagen verschaffen.
    Denn kurz darauf bekamen wir Internetzugang und einen eigenen E-Mail-Account eingerichtet. Mit einem Schlag konnte ich mich wieder mit jedem Menschen auf der ganzen vernetzten Welt unterhalten. Von Grönland bis Papua Neuguinea und weiter!
    Ein echtes Schmankerl für mich war der Internetzugang. Zum einen konnte ich von dort aus recherchieren und war nicht mehr darauf beschränkt, mich in Vermutungen ergehen. Zum anderen gab es dort weltweit Millionen von Webcams . Nicht dass ich mich dem Voyeurismus hingeben wollte. Ganz im Gegenteil, ich suchte ruhige Orte mit wenig Menschen, Orte an denen ich noch nie vorher in meinem Leben gewesen war. Und ich suchte Orte, an denen mir die Webcams gleichzeitig auch die richtige Zeit angaben. Das war für mich äußerst wichtig, denn auf eine weitere Erfahrung wie die im Gerichtssaal konnte ich dankend verzichten. Ich hatte vor, mithilfe dieser Webcam -Bilder meine außerkörperlichen Erfahrungen

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