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Körper-Haft (German Edition)

Körper-Haft (German Edition)

Titel: Körper-Haft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Romey
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circa einen Meter breiten Alukoffer geöffnet und brummelte geifernd in französischen Tonfall: »Und für den krönenden Abschluss noch ein biszchen Natalie!«
    Er zog einen weiteren Flashspeicher aus dem Koffer und küsste ihn.
    Mike ging wieder ins Wohnzimmer. Inzwischen war nicht nur sein Laptop hochgefahren. Er steckte einen der Flashspeicher in den Laptop ein. Der Mediaplayer lief an und man sah Mikes Bett aus der Vogelperspektive. Er drückte die Forwardtaste, bis er an die gesuchte Stelle kam. Mike klatschte sich vor Freude auf die Oberschenkel. Man sah ihn und die Frau, die er gerade vor die Tür gesetzt hatte, bei der wohl ältesten Tätigkeit der Menschheitsgeschichte. Mike grinste nach oben in die Kamera und reckte heimlich den rechten Daumen hoch.
    Um das gerade Erlebte zu verinnerlichen, musste er es wohl in einer Art Außenansicht noch einmal in sein Gedächtnis einbrennen. Auf dem Wohnzimmertisch lagen drei weitere Flashspeicher. Zwei waren unbeschriftet, auf dem dritten stand Natalie.
    Was für ein perverser Bock! Ich war angewidert! Vermutlich sah man das vollständige Ausmaß der Perversion seiner Mitmenschen erst, wenn man sich, so wie ich, unsichtbar in ihr Leben schleichen konnte. Und das war vermutlich sogar noch perverser! Ich wand mich ab, denn ich hatte mehr als genug gesehen und gehört, und ging in Mikes Schlafzimmer. War Tanja etwa auch in Form eines Flashspeichers im großen Alukoffer im Schrank? Meine Wut und Eifersucht ließen mich schneller werden. Meine Schritte lenkten mich unmittelbar vor den Koffer.
    Der Deckel war weit aufgeklappt. Auf der Innenseite stand in Messing eingelegt:

    Mein Poesiealbum

    »Genau wie auf seinem Bildschirmschoner im Büro.« Der untere Teil des Koffers hatte ein Inlay aus Moosgummi, das schlitzförmige Stanzungen enthielt. Gerade groß genug, um Flashspeicher aufzunehmen. Ich weiß wirklich nicht, wie viele es waren aber es waren verdammt viele!
    Aber eines hatte ich Mike wirklich nicht zugetraut. Sie waren alle alphabetisch nach Vornamen sortiert! Ich hatte keine Ahnung, wie lange sich Mike noch im Wohnzimmer verlustieren und dem eigenen Treiben zuschauen würde, aber ich hatte Angst, mir könnte die Zeit davonlaufen.
    Ich suchte eifersüchtig nach einem Speicher mit der Aufschrift Tanja. Ich fand sogar mehrere, allerdings mit anderem Nachnamen. Erleichtert seufzte ich.
    Dieses Ekel hätte ich ihr auch nicht zugetraut, und dennoch hatte ich Angst gehabt, ihren Namen in dieser widerlichen Sammlung zu finden. Ich ließ die Augen von T wie Tanja nach oben schweifen. Eine Reihe Sylvias, Susis und – ich traute meinen Augen nicht – Sunny! Das gab’s doch nicht! Sunny? Hastig ließ ich die Augen über die Flashspeicher gleiten und versuchte alle Namen quer zu lesen. Alles Frauennamen! Bis auf Sunny! Oder war ich auf dem Holzweg und es handelte sich um eine Frau, die sich zufälligerweise ebenfalls Sunny nannte?
    Ich schaute die vier mit Sunny beschrifteten Speicher genauer an, als ob ich dadurch den Inhalt darin lesen könnte. Einer der Speicher steckte leicht schräg im schwarzen Schaumgummi. Unter Sunnys Namen konnte ich ein »und« entziffern und die untere Hälfte des nächsten Wortes war zu zwei Dritteln abgeschnitten. Aber ich konnte es mir sich leicht zusammenreimen:

    » Frank «

Sprachlos
    Ich war sprachlos! Und das obwohl mir Doktor Grasltor inzwischen durch das Kehlkopfpflaster meine Stimme wiedergegeben hatte …
    Meine Gedanken kreisten um das Gesehene und bekamen, wie es schien, ständig weitere Junge. Denn statt einen Gedanken wirklich greifen zu können, wurden es ständig mehr. Wo sollte ich anfangen und wo aufhören! Ich beschloss zu meditieren und begab mich auf meine geliebte Zwischenebene. Dorthin, wo ich das Gras wachsen hören konnte und die Sonne tief in mein Innerstes schien.
    Nach und nach beruhigte ich mich. Eine Zeit lang genoss ich nur meinen Atem und versuchte mir vorzustellen, wie die frische Luft in mich eindrang, durch meine Bronchien floss, sich in den Lungen ausbreitete und dann von den Blutkörperchen mitgenommen wurde, um bis in die letzten und verzweigtesten Kapillaren meines Körpers transportiert zu werden. Von da folgte ich der dort verbrauchten Luft, bis ich sie leise kitzelnd aus meiner Nase wieder entließ. Endlich hatte ich wieder einen freien Kopf! Das Pochen und Kreisen der Gedanken hatte aufgehört! Jetzt konnte ich damit beginnen, das Gesehene systematisch auszuspucken, zu betrachten und zu sortieren.
    Am

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