Kohärenz 02 - Hide*Out
reichte ihm in einem Teller Eintopf mit Fleisch und Bohnen und fragte ihn, ob er eine Decke wolle für den Rücken; von hinten ziehe es bisweilen kühl, wenn man an einem Lagerfeuer sitze. »Danke, vielen Dank, geht schon.« Christophers Dad lächelte in die Runde. »Wunderbar, das alles.«
Christopher nahm man nur mit Seitenblicken zur Kenntnis. Es kam ihm vor, als hofften alle, er würde sich einfach in Luft auflösen. Aber den Gefallen tat er ihnen nicht. Stattdessen schöpfte er sich einen Teller voll Eintopf und suchte sich einen freien Platz auf den Steinen, was natürlich bei Weitem nicht bequem war.
»Hi.« Das war Serenity, die sich neben ihn setzte. Er rückte ein Stück beiseite, obwohl genug Platz war, und nickte ihr kauend zu.
»Und?«, fragte sie. »Wie geht’s deinem Vater?«
Christopher hob die Schultern. »Na ja. Ganz gut.«
»Er erholt sich tatsächlich wieder, wie’s aussieht, oder?«
»Sieht so aus.« Wenigstens sie tat nicht so, als sei er Luft. Redete mit ihm. Er hätte auch gern mehr mit ihr geredet; ihm fiel nur nichts ein. Um überhaupt etwas zu sagen, deutete er auf seinen Blechteller und meinte: »Schmeckt gut.«
»Ja«, sagte Serenity. »Super.« Aber es klang enttäuscht.
Irgendwie war es nicht mehr so wie am Anfang. Am Anfang war sie einfach nur die Tochter von Jeremiah Jones gewesen. Er hatte von ihr lediglich eins gewollt: dass sie ihn mit ihrem Vater in Kontakt brachte. Inzwischen war sie… nun ja, Serenity eben. Und es war ihm nicht mehr egal, was aus ihr wurde. Auch nicht, was sie von ihm hielt. Das war früher sein bester Schutz gewesen: dass es ihm gleichgültig gewesen war, was andere von ihm dachten.
Irgendwie, irgendwann im Lauf der letzten Wochen war ihm dieser Schutz abhanden gekommen. Er wollte nichts Dummes zu ihr sagen oder gar etwas, das sie verletzte. Und das machte alles irgendwie… schwierig.
Drüben setzte sich Dr. Connery neben Dad. In London hatten sie den Neurochirurgen noch unter seinem Vornamen Stephen kennengelernt, aber seit er hier im Camp untergetaucht war, ließ er sich nach seinem zweiten Vornamen Robert »Bob« nennen.
»James, ich bin so froh, dass es Ihnen wieder besser geht. Dr. Lundkvist und ich hatten erhebliche Sorge, dass Sie es womöglich nicht verkraften würden, von der Kohärenz getrennt zu werden.« Er lachte auf, ohne fröhlich zu klingen. »Und nun sitzen Sie hier am Feuer mit uns, als sei nichts gewesen!«
Dad lachte mit. Bei ihm klang es unbekümmert. »Ja, toll, nicht wahr? Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal an einem Lagerfeuer gesessen habe. Muss als Kind gewesen sein.«
Dr. Connery betrachtete die Flammen, als habe er sie bis jetzt gar nicht bemerkt. »Das hätten wir uns damals in London auch nicht träumen lassen, was? Dass wir uns unter solchen Umständen wieder begegnen?« Er seufzte. »Und was alles passieren würde.«
Christopher wusste, was er meinte: Dr. Connery hatte damals erforscht, wie man Nervenzellen und Computer miteinander koppeln konnte, und es damit überhaupt erst ermöglicht, dass die Kohärenz entstehen konnte.
»Sie sind das ja gewöhnt, das Leben in der Natur«, meinte Dad kauend. »Ich weiß noch, wie Sie damals jedes Wochenende irgendwo gewandert sind, bei Sonne wie bei Regen. Aber mein Fall war das nie.« Er machte mit dem Löffel in seiner Hand eine ausgreifende Bewegung. »Deswegen ist das hier eine ziemliche Umstellung für mich. Wie Abenteuerurlaub.«
Christopher runzelte die Stirn. Zwar war Dad früher auch oft lustig gewesen, gut gelaunt und zu Scherzen aufgelegt – aber nie so… oberflächlich. Wenn man ihn in diesem Moment sah, konnte man glauben, es mache ihm nicht das Geringste aus, dass Christophers Mutter noch immer der Kohärenz angehörte.
Noch sträubte er sich dagegen zuzugeben, dass sein Dad sich durch die Zeit in der Kohärenz verändert hatte. Aber irgendwann würde er mit den Ärzten darüber reden müssen.
Er warf Serenity einen Seitenblick zu. Ob er ihr davon erzählen sollte? Aber dann würde sie sich vielleicht Sorgen machen, die sich später – hoffentlich! – als unnötig herausstellen würden. Vielleicht war es besser, sie nicht damit zu belasten.
Jemand schob mehr Holz in die Flammen. Im Hintergrund klimperte es; ein paar Gitarren wurden gestimmt. Am Lagerfeuer zu singen, war mehr oder weniger das einzige Freizeitvergnügen, das den Leuten um Jeremiah Jones geblieben war.
»Manchmal, wenn ich so am Feuer sitze, muss ich an früher denken«, sagte
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