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Kohlenstaub (German Edition)

Kohlenstaub (German Edition)

Titel: Kohlenstaub (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Kathrin Koppetsch
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ich wenig mit.
    Nun brachten meine
Mitbewohner Leben in das Haus. Allerdings etwas zu viel Leben, dachte ich, als
unten schon wieder ein Krachen zu hören war. Ich zog mir eine Strickjacke über
und machte mich auf den Weg in die untere Etage.
    »Könnten Sie bitte
mal nachsehen, ob noch genügend Kohlen im Heizkessel sind? Es soll ja kälter
werden, vielleicht sogar noch einmal schneien«, sagte ich zu dem mürrisch
dreinblickenden Jankewicz, der mir geöffnet hatte und nun im Türrahmen stand. Sein
breites Kreuz versperrte mir den Blick ins Wohnungsinnere.
    »Wer ist da?«,
hörte ich eine weibliche Stimme aus dem Hintergrund. Sie klang ganz normal.
Offensichtlich war der Streit inzwischen beigelegt. Der Hausherr brummte etwas,
was sich anhörte wie »das Fräulein von oben«. Dann zog er einen Pullover über
und machte sich schlurfend auf den Weg in den Keller.
    »Frau Jankewicz?«,
rief ich in den Korridor hinein. »Alles in Ordnung bei Ihnen?« Eine
Frauengestalt mit hellen Haaren erschien im schlecht beleuchteten Flur. Erst
auf den zweiten Blick erkannte ich, dass es sich nicht um die Angesprochene handelte,
sondern um ihre Tochter.
    »Guten Abend,
Fräulein Kreuter«, grüßte ich. Frau Jankewicz hatte mir vor wenigen Tagen
anvertraut, dass ihre Tochter einen anderen Namen trug, weil sie aus einer
früheren Verbindung stammte.
    Jankewicz war nach
dem Krieg als Flüchtling aus dem Osten gekommen und offenbar begierig darauf
gewesen, eine Einheimische zu heiraten. »Es war ein großes Glück, dass ich mein
Kuckuckskind mit in die Ehe bringen durfte«, sagte Frau Jankewicz, sah dabei
aber alles andere als glücklich aus.
    Fräulein Kreuter,
mittlerweile im besten Backfischalter, stöckelte auf gewagt hohen
Pfennigabsätzen ausgehfertig mit toupiertem Haar zur Wohnungstür. »Suchen Sie
Mutter? Die ist in der Küche!«
    Ich klopfte an die
Küchentür. »Frau Jankewicz?« Ohne eine Antwort abzuwarten, trat ich ein. Hier
zeigten sich nun Spuren der handgreiflichen Auseinandersetzung, deren
unfreiwillige Ohrenzeugin ich geworden war. Ein Stuhl war umgekippt. Auf dem
Fußboden lagen Scherben, und Frau Jankewicz beeilte sich, sie aufzuheben.
    »Kann ich Ihnen
helfen?«, fragte ich. Die blonde Frau schüttelte den Kopf. Sie hob den Deckel
des Mülleimers und warf mit fahrigen Bewegungen die Scherben hinein. Dabei sah
sie mich nicht an.
    »Frau Jankewicz?«,
sagte ich zu ihrem Rücken. Als sie nicht antwortete, fuhr ich fort: »Wenn Sie
mich brauchen: Ich wohne oben, das wissen Sie ja. Sprechen Sie mich ruhig an.«
    Da sie sich immer
noch nicht umdrehte, wünschte ich ihr einen schönen Abend und ging zurück in
meine Wohnung.
    Später, in meinem
Arbeitszimmer, stellte ich mich an das Fenster und schaute hinaus auf den
dunklen, menschenleeren Park.
    Der kurze Zeiger
der Uhr rückte auf neun. Ich atmete tief durch.
    »Wie lieblich sind
mir deine Wohnungen, Herr Zebaoth!«, begann ich wie jeden Samstagabend den
Psalm vierundachtzig zu beten. Ich konnte ihn auswendig, denn meine
Amtsschwestern und ich sprachen ihn immer um die gleiche Zeit, jede in ihrer
Wohnung. »Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des Herrn; mein
Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott.«
    In meine Gedanken
schloss ich die unglückliche Familie im Erdgeschoss mit ein.
    »Herr Zebaoth,
wohl dem Menschen, der sich auf dich verlässt!«, rezitierte ich.
    In diesem Moment
krachte es wieder unter mir.
    Dann wurde es
dunkel. Der Strom war ausgefallen.

ZWEI
    »Amen«, sagte ich
und verließ die Kanzel. Die Kirchenbesucher wickelten sich fester in ihre
Mäntel. Ich setzte mich in die vorderste Bank und griff zum Gesangbuch. Die
Orgel fing an zu spielen, begleitet von dünnem Gesang.
    Bei
Außentemperaturen um die null Grad wollte sich keine rechte Osterfreude
einstellen, zumal die Kirche nicht geheizt war. Auf dem Weg durch den Park
hatten meine Schuhsohlen Abdrücke auf einer dünnen Schneedecke hinterlassen,
die sich durch den allgegenwärtigen Kohlenstaub bereits wieder grau färbte.
    »Idschdi gwupki«,
murmelte unser Küster, als ich nach dem Segen dem Ausgang zustrebte, um die
Gemeinde zu verabschieden. Wegen dieses häufig gemurmelten Satzes hieß er bei
allen nur »Idschdi«. Seinen polnischen Nachnamen verwendete niemand.
    Ich stellte mich
rechts von der Ausgangstür auf. Neben mir postierte sich mit dem
Kollektenkörbchen Presbyter Rabenau, ein untersetzter Mann mittleren Alters. Er
war von Beruf Dachdecker und passte viel

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