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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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magnetischen Eisenmineralien im Sediment, die aus dem Boden ausgewaschen oder vom Wind in den See geweht wurden; und schließlich Sand, der auf ähnliche Weise ausgespült oder weggeweht wurde.
    Solche Untersuchungen an Sedimenten aus Seen liefern für die Entwicklung der Pflanzenwelt rund um die Wikingerhöfe folgendes Bild: Als das Klima sich am Ende der letzten Eiszeit erwärmte, traten Bäume an die Stelle der Gräser und Seggen - dies ist an den Pollenarten eindeutig zu erkennen. In den folgenden 8000 Jahren veränderte sich die Vegetation nur wenig, und man findet zunächst kaum Spuren von Waldzerstörung oder Erosion. Dies ändert sich erst mit dem Eintreffen der Wikinger, das sich in einer Holzkohleschicht verrät, weil die Menschen Brandrodung betrieben, um Weideland für ihre Tiere zu schaffen. Die Menge der Weiden- und Birkenpollen geht zurück, die der Pollen von Gräsern, Seggen, Unkraut und Weidepflanzen, die von den Normannen als Tierfutter eingeführt wurden, nimmt zu. Die steigende magnetische Empfindlichkeit zeigt, dass der Boden zur gleichen Zeit in die Seen transportiert wurde, nachdem die Pflanzendecke verschwunden war, die ihn zuvor vor der Erosion durch Wind und Wasser geschützt hatte. Als schließlich ganze Täler frei von Pflanzenwuchs und Mutterboden waren, wurde auch der darunter liegende Sand abtransportiert. Im 15. Jahrhundert, nachdem die Wikinger ihre Siedlungen aufgegeben hatten, kehrten sich alle diese Veränderungen um, ein Anzeichen für die Erholung der Landschaft. Nach 1924 schließlich stellten sich die gleichen Veränderungen wie nach der Besiedlung durch die Normannen ein, weil die dänische Regierung fünf Jahrhunderte nach dem Verschwinden der Wikinger-Viehhirten wiederum Schafe einführte.
    Ökologische Skeptiker könnten nun fragen: Na und? Das alles ist zwar traurig für die Weidenbäume, aber was ist mit den Menschen? Wie sich herausstellte, hatten Waldzerstörung, Bodenerosion und Rasenstechen für die Normannen schwer wiegende Folgen. Als Erstes führte die Waldzerstörung dazu, dass Bauholz genau wie in Island und auf Mangareva sehr schnell knapp wurde. Die kurzen, dünnen Stämme der verbliebenen Weiden, Birken und Wacholderbäume eigneten sich nur für kleine hölzerne Haushaltsgegenstände. Zur Herstellung von Balken für Häuser, Boote, Schlitten, Fässer, Wandverkleidungen und Betten waren die Wikinger nun auf Holz aus drei Quellen angewiesen: sibirisches Treibholz, das an die Strände gespült wurde, importierte Baumstämme aus Norwegen und Bäume, die von den Grönländern selbst auf ihren Reisen an die Küste von Labrador (»Markland«) gefällt wurden, nachdem sie diese bei ihrer Erkundung von Vinland entdeckt hatten. Offensichtlich war Holz so knapp, dass Gegenstände aus diesem Material nicht weggeworfen, sondern wiederverwendet wurden. Dies kann man aus der Beobachtung schließen, dass große Holzverkleidungen und Möbel in den meisten Ruinen der grönländischen Wikinger fehlen, mit Ausnahme der letzten Häuser, in denen die Normannen in der Westlichen Siedlung starben. In dem »Hof unter dem Sand«, einer berühmten Ausgrabungsstätte in der Westlichen Siedlung, die unter gefrorenem Flusssand fast vollständig erhalten blieb, fand man das Holz zum größten Teil nicht in den unteren, sondern in den oberen Schichten, auch dies ein Indiz, dass das Holz alter Räume und Gebäude kostbar war und nicht weggeworfen wurde, sondern bei Um- und Anbauten erneut Verwendung fand. Ein weiteres Mittel gegen die Holzknappheit bestand darin, dass Rasen als Material für die Mauern von Gebäuden verwendet wurde, aber wie wir noch genauer erfahren werden, warf auch diese Lösung ihre eigenen Probleme auf.
    Eine andere Antwort auf die Frage »na und?« im Zusammenhang mit der Waldzerstörung lautet: Auch Brennholz wurde knapp. Im Gegensatz zu den Inuit, die gelernt hatten, Waltran zur Beheizung und Beleuchtung ihrer Behausungen zu verwenden, benutzten die Wikinger den Überresten in ihren Feuerstellen zufolge weiterhin Weiden- und Eschenholz als Brennstoff. Zusätzlicher Bedarf an Brennholz ergab sich aus einem Grund, an den ein moderner Stadtbewohner niemals denken würde: wegen der Milchverarbeitung. Milch ist ein heikles und potenziell gefährliches Lebensmittel: Sie ist sehr nährstoffreich, und zwar nicht nur für uns, sondern auch für Bakterien, und deshalb verdirbt sie sehr schnell, wenn man sie ohne die Pasteurisierung und Kühlung, die für uns

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