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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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ist dort flach und voller Felder, im Westen erheben sich die schneebedeckten Bitterroot Mountains, und im Osten steigen die Sapphire Mountains abrupt aus dem Tal in die Höhe. Ich war von der Schönheit und Größe der Landschaft überwältigt; so etwas hatte ich noch nie gesehen. Es verschaffte mir ein Gefühl des Friedens und eine ganz andere Sichtweise von meinem Platz in der Welt.
    Als ich in dem Institut eintraf, lief mir ein früherer Student über den Weg, der jetzt dort arbeitete und meine Begeisterung für die Fliegenfischerei kannte. Er schlug vor, ich solle nächstes Jahr wiederkommen und in dem Institut ein paar Experimente machen, dann könnten wir auch zum Fliegenangeln an den Bitterroot River fahren, der für seine Forellen berühmt ist. Also fuhr ich im folgenden Sommer erneut hin. Ich wollte zwei Wochen bleiben, am Ende wurde es ein ganzer Monat. Im nächsten Jahr wollte ich einen Monat bleiben und hielt mich den ganzen Sommer dort auf; als er zu Ende ging, kauften meine Frau und ich in dem Tal ein Haus. Seitdem kommen wir immer wieder und verbringen einen großen Teil des Jahres in Montana. Jedes Mal, wenn ich auf der geraden Straße von Missoula ins Bitterroot Valley fahre, erfüllt der erste Anblick der Landschaft mich aufs Neue mit jenem Gefühl der Ruhe und Erhabenheit, und die gleiche Sichtweise für mein Verhältnis zum Universum stellt sich wieder ein. Sich dieses Gefühl zu bewahren, ist in Montana einfacher als irgendwo sonst.«
    So wirkt die Schönheit von Montana auf die Menschen: auf jene, die wie Stan Falkow und ich in ganz anderen Gegenden aufgewachsen sind; auf Leute wie meinen Freund John Cook, die in anderen Gebirgsgegenden im Westen der USA groß geworden sind und sich dennoch nach Montana hingezogen fühlen; und auf wieder andere wie die Familie Hirschy, die aus Montana stammen und sich entschlossen haben, dort zu bleiben.
    Ich selbst bin wie Stan Falkow im Nordosten der Vereinigten Staaten (Boston) geboren und war bis zu meinem 15. Lebensjahr nicht westlich des Mississippi; erst dann nahmen meine Eltern mich in den Sommerferien für ein paar Wochen mit ins Big Hole Basin unmittelbar südlich des Bitterroot Valley. Mein Vater war Kinderarzt und hatte sich um Johnny Eliel gekümmert, den Sohn eines Ranchers; er litt an einer seltenen Krankheit, und der Kinderarzt der Familie hatte ihm geraten, sich in Boston bei Spezialisten in Behandlung zu begeben. Johnny war der Urenkel des Schweizer Einwanderers Fred Hirschy Sr. der in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts als Pionier in der Big-Hole-Region eine Ranch gründete. Sein Sohn Fred Jr. war zur Zeit meines Besuches 69 Jahre alt; er leitete nach wie vor zusammen mit seinen erwachsenen Söhnen Dick und Jack Hirschy sowie seinen Töchtern Jill Hirschy Eliel (Johnnys Mutter) und Joyce Hirschy McDowell das Familienanwesen. Johnnys Zustand besserte sich durch die Behandlung meines Vaters, und nun luden seine Eltern und Großeltern unsere Familie ein, sie zu besuchen.
    Wie Stan Falkow, so war auch ich von der Landschaft des Big Hole Basin sofort überwältigt: Ein weiter Talboden mit Wiesen und gewundenen Bächen, umgeben von Mauern aus Bergen, die je nach der Jahreszeit mit Schnee bedeckt sind und sich abrupt an jedem Horizont erheben. Montana nennt sich selbst »Big Sky State«, und ein »Staat des großen Himmels« ist es tatsächlich. An den anderen Orten, wo ich gewohnt habe, war der Blick auf den unteren Teil des Himmels meist durch Gebäude verdeckt, wenn es sich um Städte handelte, oder es gab zwar Berge, aber das Gelände war zerklüftet und die Täler schmal, sodass man wie in Neuguinea oder in den Alpen nur ein kleines Stück des Himmels sieht. Oder aber man sieht einen weiten Himmel, aber der ist nicht sonderlich interessant, weil sich am Horizont kein charakteristischer Ring aus Bergen erhebt - so ist es in den Ebenen von Iowa und Nebraska. Drei Jahre später, als ich aufs College ging, fuhr ich im Sommer zusammen mit zwei Kommilitonen und meiner Schwester wieder auf die Ranch von Dick Hirschy; wir arbeiteten bei der Heuernte mit.
    Nach jenem Sommer 1956 dauerte es sehr lange, bis ich wieder nach Montana kam. Im Sommer hielt ich mich in anderen Gegenden auf, die auf ihre Weise ebenfalls sehr schön waren, so in Neuguinea oder in den Anden. Dennoch konnte ich Montana und die Familie Hirschy nie vergessen. Im Jahr 1998 erhielt ich schließlich durch Zufall eine Einladung des Teller Wildlife Refuge, einer privaten,

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