Kollaps
zu, und präsentieren dann die Rechnung für die Schäden. Wie man mir berichtete, erfuhren die Grundbesitzer in Neuguinea beispielsweise in einem Fall, bei Chevron sei der Bau einer neuen Straße zu einer Ölquelle geplant. Daraufhin stürmten sie los und pflanzten Kaffeebäume an der vorgesehenen Route, sodass sie später für jeden entwurzelten Baum Schadenersatz verlangen konnten. Dies spricht dafür, die Rodung des Waldes durch den Bau möglichst schmaler Straßen auf ein Minimum zu beschränken und die Stellen, an denen gebohrt wird, so weit wie möglich mit dem Hubschrauber zu versorgen. Viel größer war jedoch die Gefahr, dass die Grundbesitzer sich über Schäden an ihrem Land ärgerten und dann das ganze Ölprojekt zum Scheitern brachten. Ein Warnzeichen ging für Chevron von dem Ölfeld Point Arguello vor der Küste Kaliforniens aus; es wurde 1981 von dem Unternehmen entdeckt und war nach Schätzungen der größte Ölfund in den Vereinigten Staaten seit der Entdeckung des Feldes von Prudhoe Bay. Wegen öffentlicher Skepsis gegenüber den Ölkonzernen, Opposition der örtlichen Gemeinden und immer neuen Verzögerungen durch behördliche Auflagen konnte die Produktion dort erst zehn Jahre später aufgenommen werden, und am Ende musste Chevron einen großen Teil seiner Investitionen abschreiben. Das Ölfeld von Kutubu verschaffte dem Konzern die Möglichkeit, der öffentlichen Kritik zu begegnen und zu zeigen, dass man auch ohne die Gängelung durch allzu strenge staatliche Vorschriften ausgezeichneten Umweltschutz betreiben kann.
So betrachtet, macht das Projekt von Kutubu deutlich, wie wichtig es ist, immer strengere staatliche Umweltschutzbestimmungen vorauszusehen. Auf der ganzen Welt geht der Trend (mit offenkundigen Ausnahmen) dahin, dass Regierungen immer strengere Auflagen zugunsten des Umweltschutzes erteilen. Selbst Entwicklungsländer, in denen man auf den ersten Blick nicht unbedingt mit ökologischen Bedenken rechnen sollte, werden immer anspruchsvoller. Ein Chevron-Mitarbeiter berichtete mir beispielsweise, was er in Bahrain erlebt hatte, als er vor der Küste mit einer weiteren Bohrung beginnen wollte: Die Regierung des kleinen Staates verlangte zum ersten Mal einen detaillierten, kostspieligen Umweltschutzplan, der genaue Überwachung während der Bohrarbeiten und eine Umweltfolgenabschätzung vorsah; außerdem sollten die Auswirkungen auf die Seekühe und auf eine Brutkolonie von Kormoranen so gering wie möglich gehalten werden. Bei den Ölkonzernen hat man gelernt, dass der Bau sauberer Anlagen mit Umweltschutzvorrichtungen weitaus billiger ist, als wenn man eine Anlage später aufgrund strengerer staatlicher Vorschriften nachrüsten muss. Selbst wenn in dem Land, in dem ein Unternehmen tätig ist, heute noch kein großes Umweltbewusstsein herrscht, rechnet man in den Vorstandsetagen damit, dass sich dieses Bewusstsein während der Lebensdauer der Anlage entwickeln wird.
Weiterhin hat Chevrons umweltfreundlichere Vorgehensweise den Vorteil, dass das Unternehmen sich damit einen guten Ruf verschafft, der im Kampf um Verträge manchmal von Nutzen sein kann. Kürzlich schrieb beispielsweise Norwegen - ein Land, wo Bevölkerung und Regierung heute sehr umweltbewusst sind - die Entwicklung eines Öl- und Gasfeldes in der Nordsee aus. Unter den Firmen, die Gebote abgeben, war auch Chevron, und das Unternehmen erhielt den Auftrag - vermutlich teilweise auch wegen seines guten Rufes in Sachen Umweltschutz. Wenn das stimmt, war der Norwegen-Vertrag nach Ansicht meiner Bekannten, die bei Chevron arbeiten, der größte finanzielle Nutzen, den der Konzern aus seinen strengen ökologischen Vorgaben auf dem Kutubu-Ölfeld gezogen hat.
Zum »Publikum« eines Unternehmens gehören nicht nur Öffentlichkeit, Regierungen und örtliche Grundbesitzer, sondern auch die eigenen Mitarbeiter. Ein Ölfeld stellt an Technologie, Anlagen und Management besonders vielschichtige Anforderungen, und ein großer Anteil der Mitarbeiter in Ölfirmen verfügt über eine Hochschulausbildung und akademische Grade. Solche Fachleute sind in der Regel sehr umweltbewusst. Ihre Ausbildung ist teuer, und sie bekommen ein hohes Gehalt. Die meisten Angestellten des Kutubu-Ölfeldes sind Staatsbürger von Papua-Neuguinea, andere sind aber auch Amerikaner oder Australier, die für eine bis fünf Wochen vor Ort arbeiten, um dann für fünf Wochen zu ihren Angehörigen nach Hause zu fliegen, und auch die Flüge sind teuer. Alle diese
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